EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat zum 25-jährigen Bestehen der Notenbank die Entschlossenheit der Euro-Währungshüter im Kampf gegen die aktuell hohe Teuerung betont und zu weiteren Einigungsschritten in Europa aufgerufen. «Mit einer Währungsunion ist es nicht getan – es gilt, den Einigungsprozess stetig fortzusetzen», sagte Lagarde am Mittwochabend zur Eröffnung eines Festaktes in Frankfurt. «Die Union sollte vielschichtig sein und im Sinne einer stärkeren Integration auch den Fiskal-, Finanz- und den Bankenbereich umfassen, vor allem wenn der Euro seinen Status als internationale Währung festigen soll.»
Lagarde begrüßte zu dem Festakt in der EZB-Zentrale unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, und EU-Ratspräsident Charles Michel. Auch die früheren EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet und Mario Draghi waren gekommen. Der erste Präsident der gemeinsamen Notenbank, Wim Duisenberg, verstarb 2005.
Stabiler Euro und niedrige Inflation
Lagarde versicherte, die EZB werde ihre vorrangige Aufgabe eines stabilen Euro erfüllen und die Inflation «zeitnah» auf ihr mittelfristiges Zwei-Prozent-Ziel zurückzuführen. In einem Beitrag, der am Mittwoch in Zeitungen aller 20 Euroländer veröffentlicht wurde, schrieb Lagarde, die Teuerung sei derzeit «zu hoch und dürfte zu lange zu hoch bleiben». Die EZB habe daher «die Zinssätze in Rekordzeit erhöht» und werde sie «auf ein ausreichend restriktives Niveau anheben und dort so lange wie notwendig belassen».
Wegen der seit Monaten hartnäckig hohen Inflation, die Unternehmen wie Verbraucher belastet, haben die Währungshüter nach Jahren mit Null- und Negativzinsen die Zinsen seit Juli 2022 in einer beispiellosen Serie sieben Mal in Folge angehoben. Der Leitzins im Euroraum liegt mittlerweile bei 3,75 Prozent.
Vor 25 Jahren nahm die EZB ihre Arbeit auf
Die EZB nahm am 1. Juni 1998 ihre Arbeit auf. Am 1. Januar 1999 begann dann für 11 der damals 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Euro-Zeitalter: Die europäische Gemeinschaftswährung wurde zunächst elektronisch als Verrechnungswährung genutzt neben D-Mark, Lira, Schilling und Co. Am 1. Januar 2002 verschwanden diese nationalen Währungen, der Euro wurde in Schein und Münze in Umlauf gebracht. Seit dem Beitritt Kroatiens am 1. Januar 2023 ist die Gemeinschaftswährung nun für mehr als 346 Millionen Menschen in 20 EU-Staaten offizielles Zahlungsmittel.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei dem Festakt, er sei zuversichtlich, dass weitere Länder dem Euroraum beitreten werden. «Der Euro hat sich als eines der erfolgreichsten europäischen Integrationsprojekte erwiesen.» Die EZB sei ein «Anker für Stabilität im Euroraum», er unterstütze die Bemühungen der Notenbank im Kampf gegen die hohe Inflation «voll und ganz», sagte der Kanzler.
Weitere Zinserhöhungen angekündigt
Lagarde hatte nach der jüngsten Zinserhöhung Anfang Mai klargestellt, dass die EZB damit noch nicht am Ende sei: «Wir wissen, dass wir noch Boden gutzumachen haben.» Bundesbank-Präsident Joachim Nagel bekräftigte am Dienstagabend in einer Rede, aus seiner Sicht seien «noch mehrere Zinsschritte erforderlich», um die Inflation nachhaltig in den Griff zu bekommen. Höhere Zinsen verteuern Kredite, was die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken kann.
Der ehemalige EZB-Präsident Trichet rechnet damit, dass die Notenbank weiterhin mit höheren Teuerungsraten zu kämpfen haben wird. Er sehe drei Gründe für einen «längerfristig höheren Inflationsdruck», sagte Trichet dem «Handelsblatt»: «Erstens wird die Globalisierung nicht mehr für niedrigere Kosten und Preise sorgen wie in den vergangenen zehn Jahren.» Dazu komme «wachsende Ungleichheit» und die Notwendigkeit, die Wirtschaft klimafreundlicher zu gestalten.
Neue Serie von Hightech-Banknoten
Verlässlich sollen auch die Euro-Scheine sein und bleiben. «Wir arbeiten an der Ausgabe einer neuen Serie von Hightech-Banknoten, um Fälschungen zu verhindern und die Umweltauswirkungen zu verringern», sagte EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta der französischen Tageszeitung «Les Echos». Die EZB hatte im Dezember 2021 angekündigt, sie werde die Bevölkerung in den Prozess der Neugestaltung der Geldscheine einbeziehen. Nach damaligen Angaben will der EZB-Rat 2024 über die Herstellung neuer Banknoten entscheiden und darüber, wann diese in Umlauf gebracht werden könnten.
Panetta betonte, die parallelen Arbeiten an einem digitalen Euro bedeuteten nicht den Abgesang auf das Bargeld. «Wir werden den Bürgerinnen und Bürgern so lange Banknoten zur Verfügung stellen, wie es eine Nachfrage danach gibt.» Die EZB rechne im Juni mit einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission, dieser werde den Rechtsrahmen für den digitalen Euro bilden. Im Oktober werde der EZB-Rat dann entscheiden, ob eine Vorbereitungsphase zur Entwicklung und Erprobung des digitalen Euro eingeleitet werden soll. «Diese Phase könnte zwei oder drei Jahre dauern. Wenn der EZB-Rat und die europäischen Gesetzgeber – Mitgliedstaaten und Mitglieder des Europäischen Parlaments – zustimmen, könnten wir den digitalen Euro in drei oder vier Jahren einführen», sagte Panetta.