In dem seit Jahren schwelenden Streit um Nachtarbeitszuschläge in der deutschen Getränke- und Lebensmittelindustrie ist ein erstes Grundsatzurteil gefallen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am Mittwoch in Erfurt in einem Fall, der den Getränkekonzern Coca-Cola in Ostdeutschland betrifft, dass Tarifverträge unterschiedlich hohe Nachtzuschläge vorsehen können (10 AZR 332/20). Die BAG-Entscheidung hat nach Einschätzung von Fachleuten Signalwirkung für etwa 6000 Klagen zu Nachtarbeitszuschlägen bei den Arbeitsgerichten. Es geht dabei um unterschiedliche Tarifverträge für Zehntausende Arbeitnehmer.
In dem verhandelten Fall aus Brandenburg ging es um die Frage, ob für gelegentliche Nachtarbeit ein Zuschlag von 50 Prozent gezahlt werden kann, für regelmäßige Schichtarbeit nachts aber nur von 20 Prozent. Das sei rechtlich nicht zu beanstanden, sagte der Vorsitzende Richter Waldemar Reinfelder bei der Urteilsverkündung. Allerdings sei für eine Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund erforderlich, «der aus dem Tarifvertrag erkennbar sein muss». Das sei in dem Coca-Cola-Fall so. Neben dem Gesundheitsschutz könnten die Tarifvertragsparteien weitere Zwecke verfolgen. Es liege in ihrem Ermessen, wie sie die schlechtere Planbarkeit gelegentlicher Nachtarbeit ausgleichen.
Abend- und Nachtarbeit gehen deutlich zurück
Sie arbeiten dann, wenn andere sich ausruhen dürfen: Abend- und Nachtarbeit werden laut Statistischem Bundesamt (Destatis) auch als ungewöhnliche oder atypische Arbeitszeiten bezeichnet. So verbreitet sind sie in Deutschland:
Der Anteil der Erwerbstätigen, die ständig oder regelmäßig zwischen 18 und 23 Uhr arbeiten, lag 2021 nach Destatis-Angaben bei 14,9 Prozent. Zum Vergleich: 2011 waren es 27,2 Prozent.
Selbstständige haben dabei später Feierabend: Während laut Daten von Eurostat gut ein Viertel von ihnen zu diesen Abendstunden noch tätig ist (2011: 40,2 Prozent), sind es bei den Arbeitnehmern nur 13,9 Prozent (2011: 25,5). Fast ausgeglichen ist dabei der Anteil von Männern (16,9 Prozent) und Frauen (12,7 Prozent).
Der Anteil der Erwerbstätigen, die regelmäßig zwischen 23 und 6 Uhr früh arbeiten, lag 2021 laut Eurostat bei 4,2 Prozent. 2011 waren es mit 9 Prozent noch mehr als doppelt so viele. Relativ ähnlich war 2021 der Anteil an Selbstständigen (3,2 Prozent) und Arbeitnehmern (4,3 Prozent). Auffällig ist aber, dass der Anteil der nachts Arbeitenden bei Männern fast doppelt so hoch wie bei Frauen ist.