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Bundesgericht befragt Zeugen im Prozess um Rosneft-Klage

Mrz 7, 2023 ,
Die Anlagen der Erdölraffinerie auf dem Industriegelände der PCK-Raffinerie GmbH in Schwedt. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christophe Gateau/dpa)

Ein ebenso kompliziertes wie heikles Verfahren ging heute vor dem Bundesverwaltungsgericht in die zweite Runde: Durfte der Bund im Zuge der Russland-Sanktionen zwei deutsche Tochterfirmen des Moskauer Ölkonzerns Rosneft unter staatliche Kontrolle bringen?

Vor zwei Wochen verhandelten die Leipziger Richterinnen und Richter schon einen ganzen Tag lang darüber. Heute sagten in der mündlichen Verhandlung zwei frühere Geschäftsführer von Rosneft Deutschland aus. Beide Manager wurden im Bundesverwaltungsgericht zu Problemen des Unternehmens mit Banken und Versicherungen nach Ausbruch des Ukraine-Krieges befragt. Das Gericht in Leipzig will sich damit ein Bild über die Lage der deutschen Rosneft-Töchter verschaffen, bevor sie unter die Treuhandverwaltung gestellt wurden

Rosneft Deutschland und RN Refining & Marketing sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Im vorigen September wurden sie unter die Treuhandverwaltung durch die Bundesnetzagentur gestellt. Der Bund begründete diesen Schritt mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherheit in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Rosneft hält die Anordnung der Treuhandverwaltung für rechtswidrig.

Einer der beiden Geschäftsführer, Jörg Tumat, sagte aus, dass Rosneft Deutschland zwar Schwierigkeiten mit Banken und Versicherungen gehabt habe, die aber vor allem im März 2022 akut waren. Zahlungen seien verzögert gebucht worden, es habe Unsicherheiten wegen der Sanktionen gegeben.

Im Sommer 2022 seien die Probleme aber seiner Einschätzung nach nicht mehr bedrohlich gewesen. «In vielen Fällen wurde dann doch weiter zusammengearbeitet», sagte der 53-Jährige, der Mitte Mai vorigen Jahres Chef der deutschen Rosneft-Tochter geworden war. Rosneft Deutschland sei «recht selbstständig» geführt worden. Die Manager wurden mit Beginn der Treuhandverwaltung freigestellt.

Sollte das Gericht die Treuhandverwaltung kippen, wäre das nicht nur ein Klatsche für den Bund. Es hätte auch Auswirkungen auf den Energiemarkt und die deutschen Verbraucher. Denn Moskau bekäme wieder Einfluss auf die wichtige PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. (Aktenzeichen: BVerwG 8 A 2.22).

Worum geht es in dem Verfahren?

Das staatlich beherrschte russische Unternehmen Rosneft – der Moskauer Mutterkonzern und ein Ableger in Luxemburg – klagt dagegen, dass der Bund im September 2022 die beiden deutschen Tochterfirmen Rosneft Deutschland GmbH und RN Refining & Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung nahm. Die Kläger halten das für rechtswidrig.

Konkret zuständig ist die Bundesnetzagentur. Diese berief eine neue Geschäftsführung. Rosneft ist rechtlich weiter Eigentümer der deutschen Töchter, kann aber nicht mehr mitbestimmen. Sollten die Töchter Gewinn machen, bleibt dieser als Rücklage bei ihnen in Deutschland. Der Bund verdient nicht mit, Russland aber auch nicht.

Warum übernahm der Bund die Kontrolle?

Im Zuge von EU-Sanktionen wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sagte Deutschland zu, ab 2023 auf russisches Rohöl zu verzichten. Genau das importierten und verarbeiteten aber die Rosneft-Töchter. Zugleich hatten sie einen erheblichen Marktanteil: Sie hielten nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums über Beteiligungen an drei Raffinerien zwölf Prozent der Kapazität zur Erdölverarbeitung in Deutschland.

Zentral war die Mehrheitsbeteiligung von 54 Prozent an der PCK-Raffinerie, die Nordostdeutschland mit Benzin, Diesel und anderen Produkten versorgt. Sie hing am russischen Rohöl aus der Druschba-Leitung. Rosneft hatte nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck kein Interesse, das zu stoppen. Prozessbevollmächtigte von Rosneft widersprachen vor den Leipziger Richtern. Rosneft Deutschland habe durchaus an Alternativen gearbeitet, erklärten sie im Verfahren.

Wie begründet der Bund die Treuhandlösung?

Rechtlich argumentierte das Ministerium im Bundesanzeiger so: Wegen Unsicherheiten bei den Folgen der EU-Sanktionen hätten Vertragspartner die Zusammenarbeit mit Rosneft eingeschränkt. Mitarbeiter seien dabei abzuwandern. Damit sei der Betrieb kritischer Infrastruktur in Gefahr.

Im Falle PCK kam laut Ministerium hinzu: Um die Raffinerie ohne russisches Öl wirtschaftlich weiter zu betreiben, brauche sie Lieferungen von Tankeröl über den Hafen Danzig. Dies sei nach polnischen Angaben erst denkbar, wenn russische Gesellschafter nicht mehr beteiligt seien, hieß es im Bundesanzeiger weiter. Tatsächlich kam eine Abmachung mit Polen über Lieferungen via Danzig erst nach Beginn der Treuhandverwaltung zustande.

Wie begründet Rosneft die Klage?

Die Kläger führten drei wesentliche Gründe an: Es habe vor der Treuhandlösung keine Anhörung gegeben. Das spielte im Prozess länger eine Rolle. Die Anwälte des Bundes erklärten, es habe durchaus vorab Gespräche mit den deutschen Rosneft-Töchtern gegeben. Die Rosneft-Anwälte hielten das nicht für ausreichend.

In der Klage argumentierten sie auch, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Treuhandverwaltung seien nicht gegeben. Und es fehle eine Rechtsgrundlage für ein Embargo leitungsgebundenen russischen Rohöls seit dem 1. Januar 2023. Gemeint sind die Lieferungen über die Druschba-Leitung. Diese sind nicht vom EU-Ölembargo gegen Russland erfasst, sondern nur Tankeröl. Deutschland verzichtete per EU-Protokollnotiz zusätzlich auf das Pipeline-Öl.

Wieso durfte der Bund aus seiner Sicht zugreifen?

Die Ampel-Koalition hatte 2022 das Energiesicherungsgesetz entsprechend geändert. Paragraf 17 sieht die Option einer Treuhandverwaltung für Betreiber von kritischer Infrastruktur im Energiesektor vor. Sie greift, «wenn die konkrete Gefahr besteht, dass ohne eine Treuhandverwaltung das Unternehmen seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Sektor Energie dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht». Die Treuhandverwaltung gilt zunächst für sechs Monate, also bis zum 15. März. Sie dürfte verlängert werden – wenn der Bund in Leipzig gewinnt.

Warum ist das Verfahren in Leipzig wichtig?

Mit der rechtlichen Konstruktion der staatlichen Treuhandverwaltung einer privatwirtschaftlichen Firma mit ausländischem Eigentümer betrat der Bund juristisches Neuland. Sollte das Gericht die Treuhandverwaltung aufheben, wären die deutschen Tochterfirmen wieder unter russischer Kontrolle. Rosneft hätte Mitsprache über einen erheblichen Teil der deutschen Raffineriekapazitäten. Lieferungen von Tankeröl über Danzig stünden womöglich in Frage.

Die Vorsitzende Richterin Ulla Held-Daab machte im Leipziger Verfahren deutlich, dass die Beschränkung der Eigentumsrechte eine große Tragweite hat: «Da sehen wir schon einen Eingriff deutlicher Intensität.» Andererseits betonte sie, dass die Sicherheit der Energieversorgungssicherheit «ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut» sei. Das sei abzuwägen.

Für die Rosneft-Klage ist das Bundesverwaltungsgericht in erster und letzter Instanz zuständig. Vor zwei Wochen hatte es einen ersten Verhandlungstag gegeben. Wann eine Entscheidung fallen soll, ist noch offen.