Kein Aufatmen bei Bahnreisenden und Pendlern: Auch die dritte Gesprächsrunde im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn ist ergebnislos zu Ende gegangen.
Weitere Warnstreiks im Regional- und Fernverkehr sind wahrscheinlich, auch wenn die Gewerkschaft EVG zunächst keine konkreten Pläne verkündete. «Ob das schon in den nächsten Tagen sein wird, das kann ich Ihnen nicht sagen», sagte Tarifvorständin Cosima Ingenschay. «Im Augenblick sind wir noch im Verhandlungsmodus.»
Neben der Deutschen Bahn verhandelt die EVG nach und nach mit 50 weiteren Unternehmen der Branche über ihre Forderungen. In der ganzen kommenden Woche seien Gespräche mit verschiedenen Betrieben angesetzt, sagte Ingenschay. Ergebnisse zeichneten sich nirgendwo ab. Auch bei der Deutschen Bahn mit ihren rund 180.000 betroffenen Beschäftigten blieb die Tarifrunde am Dienstag und Mittwoch in Fulda ohne Einigung. Für das vorläufige Scheitern machten sich beide Seiten gegenseitig verantwortlich.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
«Wir haben gestern ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt, historisch das höchste Angebot in der Geschichte der Deutschen Bahn», sagte Personalvorstand Martin Seiler. «Und dennoch hat die EVG das als nicht verhandlungsfähig bezeichnet und ist nicht bereit, auf dieser Grundlage überhaupt in Verhandlungen einzusteigen.»
Die EVG äußerte sich «höchst irritiert» über die Beendigung der Gespräche durch den Konzern. «Unsere Kolleginnen und Kollegen sind hier bis Freitag in Fulda verhandlungsbereit», betonte Verhandlungsführer Kristian Loroch. «Bislang war der Arbeitgeber nicht in der Lage, uns ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen.»
Der Vorschlag, den die bundeseigene Bahn am Dienstag unterbreitete, sah einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2850 Euro vor, der über mehrere Monate ausgezahlt werden sollte. Ab März des kommenden Jahres soll es stufenweise insgesamt 10 Prozent für die unteren und mittleren sowie 8 Prozent für die oberen Lohngruppen geben. Die Laufzeit hätte 27 Monate betragen.
Das Angebot orientierte sich in weiten Teilen an der Tarifeinigung, die am Wochenende im öffentlichen Dienst getroffen wurde. «Wir haben aber schon mehrfach gesagt, dass der Abschluss im öffentlichen Dienst für unser Organisationsgebiet keinerlei Relevanz hat», sagte Loroch. Die EVG fordert von der Branche mindestens 650 Euro mehr im Monat oder 12 Prozent bei den oberen Einkommen sowie eine Laufzeit von einem Jahr.
Weiterer Knackpunkt: Mindestlohn
Knackpunkt der Verhandlungen bei der Deutschen Bahn bleibt auch der Mindestlohn. Rund 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten diesen bislang nur über Zulagen, weil der gesetzliche Mindestlohn in den vergangenen Jahren schneller gestiegen ist als die Tariftabellen. Noch vor den inhaltlichen Tarifgesprächen will die EVG den Mindestlohn von 12 Euro je Stunde deshalb in den Tabellen festsetzen. Alles, was dann tariflich beschlossen wird, würde sich auf die höhere Basis bei den Betroffenen beziehen.
Die Bahn wiederum lehnt es ab, die Mindestlohnthematik isoliert zu betrachten. Sie bietet 13 Euro je Stunde, will diese aber erst ab August 2024 in die Tabellen aufnehmen.
Der nächste Verhandlungstermin bei der Bahn ist für Ende Mai angesetzt. Es bleibt also viel Zeit für Warnstreiks. «Wir hoffen, dass wir ein verbessertes Angebot bekommen in der nächsten Zeit, sonst wird es Warnstreiks geben», sagte EVG-Vertreterin Ingenschay. «Wir haben ja auch schon gesagt, dass das ein bisschen massiver ausfallen wird als in der Vergangenheit.» Bereits am Freitag legte die EVG den Nah- und Regionalverkehr für mehrere Stunden lahm.
Der Arbeitskampf könnte – ob abgestimmt oder nicht – mit anderen Warnstreiks etwa im öffentlichen Personennahverkehr zusammenfallen. Bereits für diesen Mittwoch rief die Gewerkschaft Verdi in einigen Städten zu Arbeitsniederlegungen im ÖPNV auf. Betroffen waren unter anderem Anbieter in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Hintergrund sind Verhandlungen über einen neuen Eisenbahn-Tarifvertrag. Dieser betrifft aber nicht die Verhandlungen mit der EVG.