• Mi. Nov 27th, 2024

Eisenbahn-Gewerkschaft hält an 50-Stunden-Warnstreik fest

Reisende informieren sich im Berliner Hauptbahnhof über den bevorstehenden Streik. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Carsten Koall/dpa)

Auch die jüngsten Verhandlungen konnten nichts mehr ändern: Die Bahn wird ab Sonntagabend mit großen Auswirkungen für Reisende und Pendler 50 Stunden lang bestreikt. Nach Gesprächen bis in die Nacht und einem Ultimatum bis Freitagmittag entschied die Gewerkschaft EVG, am geplanten Ausstand festzuhalten.

Weil alle Berufsgruppen bei der Bahn zum Warnstreik aufgerufen sind, wird der DB-Fernverkehr von Sonntagabend, 22.00 Uhr, bis Dienstagabend, 24.00 Uhr, eingestellt. Auch davor wird es Einschränkungen geben: Die Bahn hat einige Verbindungen am Sonntagnachmittag gestrichen. Im Regionalverkehr wird ebenfalls kaum ein Zug fahren.

«Wir waren zu Kompromissen bereit, um den angekündigten Warnstreik auszusetzen und in die Verhandlungen einzutreten. Die DB AG setzt stattdessen lieber auf Spaltung und nimmt dafür die Fahrgäste in Geiselhaft», kritisierte die EVG. Die Bahn beteuerte, dass sie «bis zur letzten Minute alles versucht» habe, um den Warnstreik abzuwenden. «Wir sind noch mal auf die EVG zugegangen und haben bekräftigt, dass es am Thema Mindestlohn nicht scheitern wird», sagte Personalvorstand Martin Seiler.

Knackpunkt Mindestlohn

Die EVG fordert für die Beschäftigten mindestens 650 Euro mehr im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Einkommen bei einem Jahr Laufzeit. Die Deutsche Bahn hat zuletzt einen steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleich von insgesamt 2850 Euro und ab März 2024 stufenweise ein Lohnplus von insgesamt zehn Prozent für die unteren und mittleren sowie acht Prozent für die oberen Lohngruppen angeboten – bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Die EVG hält das für nicht verhandlungsfähig.

Größter Diskussionspunkt ist derzeit der Mindestlohn, den etwa 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bahn nur über Zulagen erhalten. Beide Seiten streiten darüber, ob dieser vor den weiteren Verhandlungen in die Tariftabellen aufgenommen wird und inwieweit dann die weiteren Verhandlungsergebnisse bei den unteren Lohngruppen berücksichtigt werden.

50 Stunden Stillstand – alternativlos?

Die Dauer des nun dritten Warnstreiks in diesem Jahr ist ein klares Zeichen der Gewerkschaft – die angekündigten Ausfälle zeigen zudem den Einfluss, den sie im Tarifpoker hat. Die Entscheidung der Bahn, den Verkehr auf der Schiene quasi komplett einzustellen, sorgte am Freitag für teils scharfe Kritik. «Die EVG ist bei der Netztochter DB Netz nicht so stark organisiert, dass die Deutsche Bahn gezwungen wäre, den Schienenverkehr einzustellen», sagte Claus Weselsky, Vorsitzender der Lokführergewerkschaft GDL, dem Nachrichtenportal The Pioneer. Ein Bahnsprecher bezeichnete diese Kritik als «absurd». Ein Ersatzfahrplan sei nicht möglich.

Bei mehr als zwei Tagen Ausstand dürfte es auch für viele Pendler und Reisende nicht mehr so leicht sein, ihre Fahrten zu verschieben. Hinzu kommt: Der Warnstreik endet direkt vor dem Himmelfahrtswochenende – und damit einer der reisestärksten Zeiten des Jahres. Bereits ohne Arbeitskampf waren die Züge für die Tage ab Mittwoch sehr gut gebucht.

Tickets auch nach Warnstreikende noch gültig

Die Bahn versuchte entsprechend, die Fahrgäste zur Vorverlegung ihrer Reisen zu bewegen. Die Fahrgastrechte machen eine Nutzung der Tickets auch nach dem Ende des Warnstreiks ausdrücklich möglich, wie ein Bahnsprecher sagte. So oder so: Sowohl am Sonntag als auch nach dem Warnstreik wird es teils sehr voll in den Zügen. Die Bahn warnt vor «außergewöhnlich hohen Auslastungen».

Die EVG will mit dem Warnstreik auch den Güter- und Warenverkehr auf der Schiene treffen. «Im Bereich des Güterverkehrs werden Staus entstehen, die dann tatsächlich dazu führen, dass es auch einen wirtschaftlichen Druck gibt, den wir offensichtlich brauchen», sagte Tarifvorständin Cosima Ingenschay am Donnerstag.

Treffen wird der Ausstand aus Sicht des Großhandelsverbandes BGA die Bereiche, die auf zeitgenaue Lieferungen angewiesen sind, etwa die Autobranche oder auch den Bau. Hier seien Lieferverzögerungen zu erwarten – auch weil viele Beschäftigte im Transportbereich nicht zur Arbeit kommen könnten.

Einschränkungen bei systemrelevanten Lieferketten etwa für Lebensmittel oder Medizinprodukte seien hingegen nicht zu erwarten. Hier seien die Lagerbestände für zwei Tage ausreichend gefüllt, teilte der BGA mit. Auch in den klassischen Bahngeschäftsfeldern Kohle und Erz sei der Ausstand zu kurz, um gravierende Auswirkungen zu haben, hieß es vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung.

Von Fabian Nitschmann und Matthias Arnold, dpa