Die Lage auf dem vielerorts angespannten Wohnungsmarkt droht sich weiter zu verschärfen. Nach einem Einbruch der Baugenehmigungen im März befürchtet der Bauindustrieverband eine «Wohnungsbaurezession». «Der Mietmarkt ist erstarrt, es werden zu wenige Wohnungen für die starke Nachfrage gebaut», sagte der
Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie Tim-Oliver Müller am Mittwoch. Das treffe Bauunternehmen, aber auch Tausende Mieterinnen und Mieter.
Trotz der Nachfrage nach Wohnraum sind die Genehmigungszahlen seit vergangenem Jahr im Sinkflug. Im März beschleunigte sich das Tempo nach Angaben des Statistischen Bundesamtes. Demnach bewilligten die Behörden den Bau von 24 500 Wohnungen. Das war ein Minus von 29,6 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat und der stärkste Rückgang seit im März 2007 (minus 46,5 Prozent). In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres wurden insgesamt 68 700 Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt, 25,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Umdenken in der Förderpolitik gefordert
Wegen der stark gestiegenen Kreditzinsen und hoher Baupreise halten sich viele Bauherren mit Projekten zurück oder stornieren sie – von privaten Hausbauern bis Großinvestoren. Zudem kritisiert die Branche Überregulierung und Verunsicherung potenzieller Bauherren zum Beispiel durch das geplante Gebäudeenergiegesetz, mit dem die Ampel-Regierung den langfristigen Abschied von Öl- und Gasheizungen einläuten will. «Die Politik muss sich entscheiden: Will sie sich im Detail verregulieren oder effizient Wohnungen bauen?», sagte Müller. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, mahnte: «Ohne ein Umdenken in der Förderpolitik wird der Wohnungsbau eine Bruchlandung hinlegen. Uns werden auf viele Jahre die dringend benötigten Wohnungen fehlen.»
Der Bauindustrieverband rechnete zuletzt im laufenden Jahr mit bestenfalls 250 000 Fertigstellungen – weit weg vom einstigen Ziel der Bundesregierung von jährlich 400 000 neuen Wohnungen. Der Druck auf die Mieten dürfte daher hoch bleiben. «Die Menschen, die wegen des Zinssprungs nicht mehr kaufen können, müssen ja weiter irgendwo wohnen», sagte Stephan Kippes, Marktforscher des Immobilienverbands Deutschland Süd unlängst. Die mutmaßliche Konsequenz von Einbruch der Bautätigkeit und Zinsanstieg: «Das Angebot wird noch enger, und die Mieten werden steigen», erwartet Kippes.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte, die öffentliche Hand müsse in die Offensive gehen, wenn die Privaten nicht bauten. «Wir brauchen eine massive Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau und einen Beteiligungsfonds, mit dem der Bund die Eigenmittelbasis kommunaler und landeseigener Wohnungsunternehmen stärken kann», sagte Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied.
In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden von Januar bis März 2023 nach Angaben der Wiesbadener Behörde insgesamt 57 700 Wohnungen genehmigt, ein Rückgang von 28,4 Prozent. Dabei verringerte sich die Zahl der Bewilligungen für Einfamilienhäuser um 31,1 Prozent, für Wohnungen in Zweifamilienhäusern sogar um 51,9 Prozent. Bei der zahlenmäßig stärksten Gebäudeart, den Mehrfamilienhäusern, sank die Zahl der genehmigten Wohnungen um 25,2 Prozent.