Die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Bahn sind mit einer Streikdrohung der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) in die nächste Runde gestartet. Vertreter der DB und der EVG setzten ihre seit Monaten andauernden Gespräche in Berlin fort. EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch nannte die Streikbereitschaft innerhalb der Gewerkschaft hoch. Wenn sich in den kommenden Tagen «nichts deutlich bewegt», müssten die Menschen mit weiteren Streiks rechnen. «Welche Form der Streiks, das werden dann die entsprechenden Gremien beschließen.»
Loroch deutete zudem an, dass die Gewerkschaft am Mittwoch eine erste Bilanz des Gesprächsverlaufs ziehen werde. «Ich sage mal, man nimmt immer das Bergfest, das ist in der Mitte der Woche. Bis dahin muss ich ein Gefühl kriegen, ob sich was bewegt oder nicht», sagte er. Die Gespräche sollen eigentlich bis einschließlich Freitag andauern.
DB-Personalvorstand Martin Seiler gab sich vor Verhandlungsbeginn zuversichtlich. Bei den Themen Gehaltserhöhungen, Tarifstruktur und Laufzeit gebe es noch «ziemlich große Diskrepanzen». Das Ziel für die nächsten Tage sei aber, «tragfähige Lösungen zu erarbeiten». «Und wenn wir uns anstrengen, sollte das auch in fünf Tagen gelingen», sagte Seiler.
Forderungen, Ziele, Angebote
Ein möglicher Abschluss würde die Löhne und Gehälter von gut 180.000 Beschäftigten bei der DB betreffen. Die Gewerkschaft fordert vom Arbeitgeber einen Festbetrag von mindestens 650 Euro pro Monat mehr oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen. Parallel verhandelt die Gewerkschaft mit Dutzenden weiteren Bahn-Unternehmen, die Forderungen sind dabei im Kern immer gleich. Da die DB der mit Abstand größte Arbeitgeber der Branche ist, dürften sich die weiteren Unternehmen letztlich an einem Abschluss beim bundeseigenen Konzern orientieren.
Loroch machte deutlich, dass die Gewerkschaft einen besseren Abschluss erreichen will als die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Ende April für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Dort einigten sich die Tarifparteien auf steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen von insgesamt 3000 Euro und ab März 2024 einen Sockelbetrag von 200 Euro brutto als weiteres Plus sowie eine anschließende Erhöhung von 5,5 Prozent – mindestens aber 340 Euro brutto mehr. Die Laufzeit beträgt 24 Monate.
Die Bahn hatte bei einer Verhandlungsrunde Ende Mai in Fulda stufenweise zwölf Prozent mehr bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Insgesamt zehn Prozent mehr sollen die mittleren Gruppen bekommen und acht Prozent die oberen. Die erste Erhöhungsstufe soll demnach dieses Jahr wirksam werden. Hinzu kommt eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ab Juli in zwei Teilbeträgen gezahlt werden könnte. Die Laufzeit soll nach Bahn-Vorstellung wie im öffentlichen Dienst 24 Monate betragen.
Abrechnung am Mittwoch?
Die Ankündigungen beider Seiten geben Raum für viele Szenarien in dieser Woche. Ein wichtiger Tag wird aber offensichtlich der Mittwoch: Dann dürfte sich entscheiden, ob tatsächlich bis einschließlich Freitag verhandelt wird – und ob die Stimmung noch gut genug ist für Schritte aufeinander zu.
Loroch hat der EVG mit seinen Äußerungen bereits den Weg eröffnet, am Mittwoch nach einer Bilanz den Verhandlungstisch zu verlassen und auf Eskalation zu setzen. Er deutete an, dass in der Gewerkschaft viele schon längst zum nächsten Warnstreik aufrufen wollten, das Verhandlungsteam aber weiter auf Gesprächsbereitschaft gepocht habe. Nun steht auch eine Urabstimmung über dann wohl unbefristete Streiks explizit im Raum.