Im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn berät die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG heute in Berlin das weitere Vorgehen. Um kurz nach 9.00 Uhr begann eine Sitzung des Bundesvorstands. Dabei dürfte vor allem über eine mögliche Urabstimmung über unbefristete Streiks oder ein Schlichtungsverfahren diskutiert werden. Möglich sind aber auch andere Szenarien. EVG-Chef Martin Burkert könnte zum Beispiel die Verhandlungen an sich ziehen, um dann mit den Vertretern der DB eine Lösung zu finden. Am frühen Nachmittag will die Gewerkschaft in einer Pressekonferenz über ihre Pläne informieren.
Am Mittwochabend hatte die Tarifkommission der EVG die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn für gescheitert erklärt. Sie begründete den Abbruch damit, dass die von der Bahn angebotene Gehaltserhöhung zu niedrig sei und zu spät komme. Die dabei vorgesehene Vertragslaufzeit von 27 Monaten sei «deutlich zu lang», hieß es. Die Bahn reagierte mit Unverständnis.
Knackpunkt zuletzt vor allem die Laufzeit
Der Tarifkonflikt dauert seit Ende Februar an. Die EVG ging mit dem Ziel einer Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro im Monat oder zwölf Prozent bei den oberen Lohngruppen in die Gespräche. Die Laufzeit sollte nach ihren Vorstellungen ein Jahr betragen.
Die Bahn hat nach eigenen Angaben zuletzt einen hohen Festbetrag, 2850 Euro Inflationsausgleichsprämie und weitreichende strukturelle Verbesserungen bei 27 Monaten Laufzeit des Tarifvertrags in Aussicht gestellt. Die Details nannte sie nicht.
Letzte Urabstimmung der EVG ist lange her
Durch die Entscheidung von Mittwochabend befindet sich die EVG nun in einer für sie ungewohnten Situation. Eine Urabstimmung über unbefristete Streiks gab es bei Gewerkschaft seit vielen Jahren nicht mehr, zudem müssen viele Interessen unterschiedlichster Berufsgruppen bei der Bahn berücksichtigt werden.
Zu Beginn der laufenden Woche überraschte die EVG mit Abschlüssen bei einigen Privatbahnen, bei denen Lohnerhöhungen von 420 Euro in mehreren Stufen, eine Laufzeit von meist 21 Monaten und 1000 bis 1400 Euro Inflationsausgleichsprämie vereinbart wurden. Die auch bei diesen Eisenbahn-Unternehmen zunächst geforderten 650 Euro mehr pro Monat bei 12 Monaten Laufzeit hatten aber offensichtlich hohe Erwartungen ausgelöst: Unter den Mitgliedern der EVG wurden die Abschlüsse kontrovers diskutiert.
Sommerferien könnten von Streiks geprägt werden
Sollte sich die EVG für eine Urabstimmung und unbefristete Streiks bei der Deutschen Bahn entscheiden, drohen Arbeitsniederlegungen mit unzähligen Zugausfällen mitten in den Sommerferien. Nordrhein-Westfalen ist bereits in die Ferien gestartet, am 6. Juli folgen Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt. Eine Urabstimmung würde zwar einige Zeit in Anspruch nehmen, die Ferienzeit wäre aber nicht gesichert. Auch Warnstreiks parallel zur Urabstimmung, sozusagen ein Vorgeschmack für den Arbeitgeber auf das, was drohen könnte, sind nicht ausgeschlossen.