• Sa. Nov 23rd, 2024

Warum Start-ups von Frauen es immer noch schwer haben

Das Unternehmen Wombly produziert Kleidung für Kinder mit Behinderungen und chronischen Krankheiten. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Jessica Lichetzki/dpa)

An einer Kinderpuppe kleben grüne Zettel an verschiedenen Körperstellen. Es wird getüftelt, diskutiert, gebastelt. Gemeinsam überlegen mehrere Designerinnen, wie sie genug Öffnungen und Verschlüsse an Kinderkleidung wie Jäckchen oder Bodys einnähen können, damit nichts klemmt, aber trotzdem alles gut geschützt ist. «Wichtig bei der Kleidung sind viele Öffnungen für medizinische Zugänge, aber auch, dass man die Kleidung schnell wechseln kann», sagt Jana Walther. Sie ist Mitgründerin des Start-ups Wombly, das Kleidung für Kinder mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen entwirft und verkauft.

Zwar sind unter den neun Beschäftigten auch drei Männer. Doch gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 2020 von einem reinen Frauenteam. Neben Walther gehören dazu Lena Förster und Lina Phyllis Falkner. In einer nach wie vor stark männerdominierten Start-up-Branche ist ihr Betrieb somit eine Ausnahme.

Laut dem «Female Founders Monitor» des Bundesverbands Deutsche Startups wurde im vergangenen Jahr lediglich rund jedes fünfte Start-up von Frauen gegründet. Zudem waren sie eher in den Branchen Gesundheit, Ernährung, Bildung und Textilien vertreten. Damit ist auch Wombly trotz des gemischten Teams ein typisch weibliches Start-up.

Erfahrungen von Gründerinnen

«Das nervt mich auch immer ein bisschen», sagt Falkner. «Uns wurde auch schon gesagt, dass Frauen laut einer Studie ja eher sozial seien und deshalb lieber in sozialen Berufen arbeiten sollten.» Solche herablassenden Kommentare seien zwar selten. Oft habe sie aber den Eindruck, nicht ernst genommen oder belächelt zu werden, sagt sie.

Andere Gründerinnen berichten von ähnlichen Erfahrungen. «Ich war letztens mit einem meiner männlichen Freelancer auf einer Messe. Teilweise haben die Männer dort nur mit ihm gesprochen, obwohl ich die Gründerin bin und die Gespräche angefangen habe», sagt Julia Ezinger. Ihr Stuttgarter Start-up Rhome berät Arbeitgeber in rechtlichen Fragen, wenn ihre Mitarbeiter im Ausland arbeiten wollen.

Schon bei der Investorensuche haben es weibliche Gründerinnen schwerer als männliche. «Es gibt da diesen unbewussten Bias, dass Frauen auch eher Risikofragen und Männer eher Chancenfragen von Investoren gestellt werden», sagt Hanna Asmussen vom Hamburger Start-up Localyze, das es Firmen leichter machen will, Mitarbeiter aus dem Ausland zu holen oder dorthin zu schicken.

Harvard-Studie zeigt «unconscious bias»

In einer Harvard-Studie von 2017 haben die Autoren und Autorinnen herausgefunden, dass es bei männlichen und weiblichen Investoren einen «unconscious bias», also eine unbewusste Neigung gibt, Männer zu bevorzugen. Sie wurden nicht nur öfter nach dem Potenzial ihrer Geschäftsidee gefragt, sondern bekamen im Schnitt auch sieben mal so viel Förderkapital, etwa 14 Millionen Dollar mehr.

In sogenannten Impact-Start-ups, also solchen, die eine soziale oder ökologische Ausrichtung haben, gehe es – anders als in den männerdominierten Start-up-Branchen – oft nicht um Profitmaximierung, sagt Wombly-Gründerin Falkner. «Die Leute, die das Geld vergeben, sind aber einfach sehr profitorientiert. Rein weibliche Gründungsteams werden auch skeptischer betrachtet.» Trotzdem haben die Gründerinnen nach einem Stipendium und einer Crowdfunding-Kampagne einen Investor gefunden.

Mit der Investoren-Suche hören die Herausforderungen für Frauen im Start-up-Bereich aber nicht auf. «Ich kenne Geschichten, in denen Gründerinnen erzählen, sie haben das Investment nicht bekommen, weil sie schwanger waren», sagt Franziska Teubert, Geschäftsführerin des Start-up-Verbands. Viele Frauen trauten sich nicht, das Thema offen anzusprechen – aus Angst, benachteiligt zu werden.

Unternehmen und Familie gründen

«Statistisch gesehen fallen Familiengründung und Start-up-Gründung in die gleiche Lebensphase», sagt Teubert. Doch auch im weiteren Karriereverlauf übernehmen Frauen oft unbezahlte Fürsorge-Arbeit wie Kindererziehung, durch die sie weniger Zeit für die Arbeit haben. Laut Studien sinkt die Wochenarbeitszeit von Frauen mit Kindern im Schnitt um mehrere Stunden, bei Männern bleibt sie meist fast gleich.

«Als Frau werde ich auch ständig gefragt, ob ich einen Kinderwunsch habe oder Job und Kinder vereinen will. Als Mann wird man das eher weniger gefragt», sagt Localyze-Gründerin Asmussen.

Gründerinnen haben laut Teubert als Selbstständige nicht den gleichen Anspruch auf Mutterschaftsgeld und in dem Bereich Unterstützung zu bekommen, sei oft kompliziert und lohne sich kaum, wie bei Zusatz-Versicherungen. «Da kriegt man dann 13 Euro am Tag, während Kosten weiterlaufen», sagt die Verbandschefin. «Wenn du keine Ersparnisse hast, hilft dir das nicht so richtig viel.»

Sie fordert einen besseren Absicherungsschutz für Selbstständige. Krankenkassen könnten zum Beispiel den Arbeitnehmer-Anteil im Krankheitsfall tragen und auch ein staatlicher Fond für die 14 Wochen Mutterschutz könnte helfen. «Die Frauen übernehmen ja auch eine gesellschaftliche Aufgabe, indem sie Kinder kriegen», sagt Teubert. Für sie müsse in dem Bereich noch viel passieren, um das Geschlechterverhältnis auszugleichen.

Von Jonathan Penschek, dpa