Der Streit in Ingolstadt bei der Premiumtochter Audi schwelte offenkundig schon länger – doch nun wollte VW-Chef Oliver Blume wohl nicht mehr länger zuschauen, Audi-Chef Markus Duesmann muss gehen.
Blume hat den Eigentümern, Investoren und Beschäftigten des Wolfsburger Autoriesen einen klaren Plan und dessen zügige Umsetzung versprochen. Mangelnde Entscheidungsfreude kann man ihm kaum vorwerfen – ein Überblick über seine bisherigen Weichenstellungen seit Amtsantritt im September 2022.
Personalentscheidungen
Bereits an seinem ersten Arbeitstag in neuer Rolle bekam das Management im Konzern einen Eindruck davon, dass Blume nicht lange fackelt. Kurzerhand wurde der Konzernvorstand gestutzt, Leidtragende waren Vertriebschefin Hildegard Wortmann und Einkäufer Murat Aksel, die ins zweite Glied zurückmussten. Aksel wurde einige Monate später zudem durch Dirk Große-Loheide ersetzt.
Vor einigen Wochen griff Blume bei der Softwaretochter Cariad durch. Er holte den Bentley-Produktionsexperten Peter Bosch an die Spitze des Problemkinds, Dirk Hilgenberg musste weichen. Duesmann ist nun der bislang bedeutendste Posten, den Blume neu besetzt. Der neue Audi-Chef Gernot Döllner gilt als sein Vertrauter.
Software
Cariad soll dafür sorgen, dass Volkswagen beim softwarezentrierten Auto der Zukunft Schritt halten kann. Blumes Vorgänger Herbert Diess hatte aber die Umsetzung der ambitionierten Vorhaben nie so recht in den Griff bekommen, letztlich verlor er darüber den Spitzenjob.
Blume hat vergangenen Herbst die Zeitpläne zur Programmierung fertiger Versionen entzerrt, nun wurde vor einigen Wochen mit der Führung auch das Projektmanagement umgekrempelt. Außerdem öffnet sich VW stärker Partnern.
Lange hatten Probleme bei Cariad den Anlauf wichtiger Produkte verzögert, darunter der elektrische Porsche Macan und der Audi Q6 e-tron. Beide Modelle sollen erstmals kommendes Jahr mit abgespeckteren Softwareversionen als ursprünglich geplant an die Kunden ausgeliefert werden. Weitere Verzögerungen will Blume auf jeden Fall vermeiden.
Zudem wird auf dem Gebiet für Roboterautos mit der Softwarefirma Mobileye aus dem Intel-Konzern zusammengearbeitet, in China mit der dortigen Firma Horizon Robotics. Eine milliardenschwere Investition in die Firma Argo AI zusammen mit dem US-Partner Ford hielt Blume nicht davon ab, bei dem Start-up zuvor den Stecker zu ziehen, weil kaum mehr Aussicht auf Erfolg bestand ohne viel zusätzliches Geld.
Porsche-Börsengang
Der Teil-Börsengang der ebenfalls von Blume geleiteten Stuttgarter Sportwagentochter Porsche mag wie ein simples Finanzgeschäft wirken, das dem VW-Konzern Milliarden in die Kassen spülte, um Ausgaben für Forschung und Entwicklung stemmen zu können. Doch es kam dadurch auch zu einer starken Verschiebung im Machtgefüge des Konzerns: Die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch haben nun über ihre Sperrminorität von etwas mehr als einem Viertel der Porsche-AG-Stammaktien wieder direkten Zugriff auf den Sportwagenbauer mit dem Familiennamen.
Unter Tränen hatte Familienpatriarch Wolfgang Porsche nach einem gescheiterten Übernahmeversuch 2009 die Kontrolle über die Porsche AG an den Volkswagen-Konzern abgeben müssen – ein Konstrukt mit starkem Einfluss durch das Land Niedersachsen und den mächtigen Betriebsrat. Dass der Börsengang gelingt, war den Familien daher ein großes Anliegen. Blume zog ihn trotz widriger Umstände kurz nach Amtsübernahme durch, es wurde gemessen an der Marktbewertung der größte Börsengang in Europa überhaupt.
China-Strategie
Im April kündigte VW an, seine Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse in China zu beschleunigen. Dafür soll eine Milliarde Euro in ein neues Entwicklungs-, Innovations- und Beschaffungszentrum für voll vernetzte Elektroautos fließen.
VW hat im Riesenmarkt China seit einigen Jahren Probleme, mit der billigen Konkurrenz bei Elektroautos klarzukommen. Anfang des Jahres verlor die Marke VW Pkw ihre seit Jahrzehnten gehaltene Marktführerschaft an den Elektroautobauer BYD. Vor allem bei digitaler Vernetzung liefert Volkswagen im Innenraum den chinesischen Kunden nicht das, was die sich wünschen. Blume will mit den Produkten in China wieder näher am Puls der Kunden sein. China ist der wichtigste Einzelmarkt der Wolfsburger.
Was Blume noch an Arbeit vor sich hat
Blume hat trotz seiner bereits getroffenen Entscheidungen noch viel zu tun. Allen voran die renditeschwache Kernmarke VW Pkw, die auch nach mehreren Sparrunden und Umgruppierungen weiter Probleme hat, eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften. Daher sollen in den kommenden Jahren Milliarden an Ergebnisverbesserungen eingefahren werden.
Die Kernmarke spielt für den gesamten Konzern eine zentrale Rolle. Blume will für deutlich mehr gemeinsame Produktion mit anderen Marken in den Werken sorgen, um rentabler zu werden. Außerdem soll im Vertrieb bei den Händlern gespart werden.
Ohne eine Senkung der Arbeitskosten werde es nicht gehen, räumte vergangene Woche Finanzchef Arno Antlitz ein. Dabei ist zunächst nur im Gespräch, dass frei werdende Stellen oft nicht nachbesetzt werden sollen. Die Details von Sparvorhaben sind aber oft knifflig. Derzeit ist Betriebsratschefin Daniela Cavallo Blume noch wohlgesonnen. Die Details des Sparprogramms sollen bis Oktober stehen.
Blume hat sich zudem zum Ziel gesetzt, stärker auf den Kapitalmarkt zuzugehen, um den Börsenwert des Konzerns zu heben. Doch die VW-Vorzugsaktie ist aktuell mit gut 122 Euro rund 20 Euro weniger wert als bei seiner Amtsübernahme. Porsche-AG-Aktionäre haben seit Börsengang gut ein Drittel mehr im Depot. Zudem: Investoren sind weiter sehr skeptisch, ob Blumes Doppelchefposten wegen möglicher Interessenkonflikte zu ihrem Besten ist.