Im Streit über unterirdische Rohre für Glasfaser-Internet steht die Bundesnetzagentur vor einer wegweisenden Entscheidung. «Wir werden in Kürze einen Entscheidungsentwurf veröffentlichen», teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage mit. Es geht um sogenannte Leerrohre der Telekom, in denen noch Platz für die Kabel der Konkurrenz ist. Die Telekom muss Wettbewerber hineinlassen, verlangt nach Ansicht von Vodafone aber zu viel Geld. Das seien «Mondpreise», sagt die Technikchefin von Vodafone Deutschland, Tanja Richter. Die Telekom hält sie hingegen für marktgerecht. Die Bundesnetzagentur will nun die Preise festlegen, zu denen Telekom-Wettbewerber ihre Glasfasern in den Plastikrohren verlegen dürfen.
Der Glasfaser-Ausbau läuft in Deutschland schon einige Jahre, hierbei werden die Fasern bis in die Wohnung (Fiber to the Home; FTTH) gelegt. Glasfaser gilt als die beste Technologie, um den wachsenden Datenbedarf im Digitalzeitalter stemmen zu können. Telefonleitungen (DSL/VDSL) sind ein Auslaufmodell. Auch Fernsehkabeln wird keine Zukunft beigemessen.
Die Telekom und Vodafone gingen in Sachen Festnetz-Internet jahrelang unterschiedliche Wege: Die Telekom setzte auf VDSL und Vodafone auf Fernsehkabel. Inzwischen nehmen sie beide Kurs auf Glasfaser, allerdings in unterschiedlichem Tempo: Die Telekom eilte voraus, Vodafone kam hingegen erst spät in die Puschen. Bis Ende 2023 machte der Magenta-Konzern Glasfaser für 7,9 Millionen Haushalte verfügbar. Die Vodafone-Glasfasertochter OXG legte erst im Herbst 2023 los – final angeschlossen ist noch kein Haushalt, angepeilt werden sieben Millionen. Bei dem Geschäft mischen auch zahlreiche andere Firmen mit, etwa die Telefónica-Tochter Unsere Grüne Glasfaser (UGG).
Bei dem Ausbau müssen die Straßen aufgerissen werden, um Kabel bis zu den Häusern zu verlegen – eine aufwendige Sache, die auch für die Anwohner lästig sein kann. Da ist es naheliegend, dass die Bauarbeiten nur einmal stattfinden, zumal in den allermeisten Rohren genug Platz ist für Kabel mehrerer Unternehmen.
Hunderttausende Kilometer Glasfaser verlegt
Vor allem die Deutsche Telekom kommt als Vermieter von Leerrohr-Kapazitäten in Betracht. Binnen neun Jahren hat der Konzern nach eigenen Angaben rund 400.000 Kilometer Glasfaser verlegt. «Wir haben Milliarden ausgegeben, um beim Thema Glasfaser Tempo zu machen, und Vodafone hat sich zurückgelehnt und kaum etwas in sein Netz investiert», sagt Wolfgang Kopf, Chef der Regulierungsabteilung der Telekom. «Und jetzt wollen sie zu einem Spottpreis in unsere Röhren kommen und damit unsere Investitionen teilweise entwerten.» Die Telekom sei nicht die Caritas für Missmanagement bei Vodafone.
Vodafone pocht darauf, dass die Telekom nur eine moderate Miete verlangen dürfe. Vodafone-Managerin Richter sagt mit Blick auf die baldige Entscheidung der Netzagentur: «Wir brauchen die richtigen Leitplanken, damit Deutschland beim Glasfaser-Ausbau vom Mittelmaß in die Spitzengruppe aufschließen kann.» Nach Richters Darstellung fordert die Telekom für eine bestimmte Rohrkategorie pro Jahr und pro Meter eine Miete von knapp fünf Euro und damit das Zwölffache des in anderen EU-Staaten üblichen Leerrohr-Nutzungspreises.
Diese Beispielrechnung löst bei der Telekom hingegen Kopfschütteln aus. «Der Preis muss zu den jeweiligen Investitionen passen», sagt Telekom-Vertreter Kopf. Der Vergleich mit einem EU-Staat wie Spanien hinke gewaltig, schließlich seien die Gegebenheiten dort ganz anders. An einem Haushalt in Deutschland «Fiber to the Home» (FTTH) zu verlegen koste zwischen 1000 und 1500 Euro, in Spanien hingegen nur 200 bis 400 Euro.
Bremst die Telekom den Glasfaser-Ausbau?
Vodafone moniert, dass sich hohe Leerrohr-Mietpreise negativ auswirken würden auf den Glasfaser-Ausbau insgesamt in Deutschland. Denn sollte sich die Bundesnetzagentur der Haltung der Telekom anschließen und hohe Preise festlegen, dann würde das nur dem Bonner Konzern nützen, sagt Vodafone-Managerin Richter. «Aber das schadet Digital-Deutschland, denn das bremst den Bau von Glasfaser und belästigt die Bürger mit teils unnötigen Baustellen auf Bürgersteigen und Straßen.»
Die Logik hinter so einer Argumentation: Weil die Telekom zu viel Geld verlange, müssten Wettbewerber doch selbst buddeln und eigene Rohre verlegen, obwohl in der Straße schon Telekom-Leerrohre liegen. Dann fehlten die Bagger anderswo, wo noch gar kein Glasfaser-Festnetz verfügbar ist und es dort doch eigentlich viel dringender gebraucht würde.
Andere Firmen halten sich zurück
Auffällig ist, dass andere Firmen, die ebenfalls im Glasfaser-Ausbau engagiert sind, sich nicht der Vodafone-Kritik anschließen wollen. Der Branchenverband VATM, in dem sich Telekom-Wettbewerber zusammengeschlossen haben, argumentiert zwar ähnlich wie Vodafone und äußert ebenfalls scharfe Kritik an der Telekom. Doch einheitlich ist die Meinungslage keineswegs unter den Konkurrenten von Magenta. Das Thema sei «aufgebauscht» von Vodafone, heißt es von einem Branchenvertreter, der namentlich nicht genannt werden will. Ein Vertreter eines anderen Unternehmens äußert sich zurückhaltend.
Diese Haltung lässt sich damit erklären, dass ein niedriger Zugangspreis zwar zunächst gut wäre für Vodafone, auf längere Sicht aber schlecht sein könnte für andere Firmen, die selbst Leerrohre haben und um deren Wert fürchten müssten: In einem nächsten Schritt könnte nicht nur die Telekom, sondern generell die Branche zur Öffnung ihrer Rohre verpflichtet werden. Dann würden sich Investitionen gar nicht mehr lohnen, wenn der Konkurrent sich billig einmieten kann, sagt einer der Unternehmensvertreter. «Es würde niemand mehr Rohre verlegen wollen – niedrige Mietpreise würden sich als Bärendienst erweisen für den Glasfaser-Ausbau in Deutschland.»