• Sa. Nov 23rd, 2024

«Kontinent der Chancen»? Habeck unterwegs in Afrika

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor seinem Abflug nach Windhuk (Namibia). (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Robert Habeck ist wieder unterwegs beim Versuch, die Energiewende voranzubringen und die deutsche Wirtschaft neu aufzustellen – diesmal im südlichen Afrika. Am Sonntag brach der Wirtschafts- und Klimaschutzminister zu einer mehrtägigen Reise auf, zunächst nach Namibia, dann nach Südafrika.

In Namibia soll die Zusammenarbeit bei «grünem» Wasserstoff ausgebaut werden: «Namibia hat gemessen auch an europäischen Standorten natürlich sehr, sehr große Standortvorteile – sehr sonnenreich, sehr starke Windgebiete, gerade am Atlantik», sagte Habeck vor dem Abflug. In Südafrika soll es auf einer deutsch-afrikanischen Konferenz vor allem darum gehen, die Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen.

Das passt ins Bild. Denn erst vor kurzem war Habeck in Singapur. Die Hauptbotschaft des Grünen-Politikers dort: Deutsche Unternehmen sollen sich breiter aufstellen, damit Deutschland nicht abhängig wird von autokratischen Ländern wie China.

Die Bedeutung Afrikas

Die wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands zu afrikanischen Ländern sollen ausgebaut werden, Habeck wird von Managern begleitet. «Der afrikanische Kontinent ist für uns der Kontinent der Chancen», sagte Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbandes BGA. «Er entwickelt sich in Teilen schneller und dynamischer als alle anderen Weltregionen und hat daher ein großes Potenzial.»

Die deutsche Industrie spricht sogar von einem «Neustart». Wolfgang Niedermark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie, sagte: «Afrika gewinnt für Deutschland rasant an strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung.» Der Kontinent sei entscheidend, um die ausgeprägte Abhängigkeit einzelner Branchen von asiatischen Absatzmärkten zu reduzieren. «Gleichzeitig ist er Schlüssel für viele Rohstoffe und grünen Wasserstoff. Dies ermöglicht neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf Augenhöhe.»

Gerade bei «kritischen» Rohstoffen will Habeck Abhängigkeiten von China verringern. Das soll die Lehre auch davon sein, dass Deutschland bis zum Ukraine-Krieg am Tropf russischer Gaslieferungen hing. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte: «Viele afrikanische Länder bieten sich als alternative Lieferanten von Rohstoffen an, die wir nicht zuletzt für die Energiewende, den Klimaschutz und die Digitalisierung brauchen.» Projekte dazu müssten jedoch rasch vorangetrieben werden. «Denn zur gleichen Zeit baut zum Beispiel China in Afrika seine Geschäftsverbindungen mit flankierenden Lockangeboten für die afrikanischen Partner aus.»

Hoffnung auf grünen Wasserstoff

Wasserstoff gilt als «grün», also klimafreundlich, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenkraft hergestellt wird – ein Hoffnungsträger der Energiewende. Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. «Grüner» Wasserstoff soll eine Schlüsselrolle dabei spielen, Klimaziele zu erreichen. Bis 2045 soll Deutschland CO2-neutral sein. Dafür müssen Produktionsprozesse etwa in der Stahl- und Chemieindustrie komplett umgestellt werden.

Um die Industrie beim Umbau zu unterstützen, plant die Bundesregierung eine milliardenschwere Förderung über «Klimaschutzverträge» mit Firmen, um Kostennachteile auszugleichen und Investitionen in klimafreundliche Produktionsverfahren zu fördern. Die Verträge sollen eine Laufzeit von 15 Jahren haben, wie aus dem Entwurf einer Richtlinie hervorgeht. Für den Umbau der Wirtschaft werden große Mengen «grünen» Wasserstoffs benötigt, die zu großen Teilen importiert werden müssen. Schätzungsweise werde 2030 eine zweistellige Zahl von Ländern «grünen» Wasserstoff nach Deutschland exportieren, so das Wirtschaftsministerium. Diese Vielfalt sei wichtig, um künftige Abhängigkeiten zu vermeiden.

Namibia: Gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien

Ein wichtiger Lieferant soll Namibia sein. Das Land im südlichen Afrika will sich zu einem wichtigen Produzenten und Exporteur von Wasserstoff entwickeln. Namibias Süd- und Nordküste habe ein weitaus größeres Windenergiepotenzial als andere mögliche Exporteure wie Australien und Südafrika, heißt es in einem Strategiepapier der namibischen Regierung. Dazu habe Namibia durchschnittlich 300 Sonnentage pro Jahr – ideal zur Erzeugung von Solarenergie. Von den ausländischen Investitionen erhoffe man sich einen wirtschaftlichen Aufschwung und neue Arbeitsplätze, sagte Präsident Hage Geingob. Mit Deutschland gibt es bereits eine Absichtserklärung sowie die Bereitstellung von 30 Millionen Euro für vier Pilotprojekte.

Für einige Länder in Afrika werde die Produktion und der Export von «grünem Wasserstoff» einen Entwicklungs- und Industrialisierungsschub bringen, so Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. «Für die deutsche Wirtschaft, die in dieser Technologie Weltmarktführer ist, liegt hier eine große Chance, auf dem afrikanischen Kontinent stärker Fuß zu fassen.»

Namibia ist aber für Habeck und die Bundesregierung politisch kein einfaches Terrain. Das Deutsche Reich war von 1884 bis 1915 Kolonialmacht im damaligen Deutsch-Südwestafrika und schlug Aufstände brutal nieder. Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 kam es zu einem Massenmord, der als erster Genozid im 20. Jahrhundert gilt. Seit längerem wird über ein Aussöhnungsabkommen verhandelt.

Die Rolle Südafrikas

In Südafrika dominiert bei der Stromerzeugung die Kohle. Das soll sich mit finanzieller Unterstützung auch aus Deutschland ändern, als Beitrag im Kampf gegen die globale Erderwärmung. Außerdem gilt auch Südafrika als Land mit großem Potenzial für «grünen» Wasserstoff. Südafrika wolle sich auf dem Kontinent als führendes Land für die Produktion von grünem Wasserstoff positionieren, besitze die erforderliche Technologie und suche nach Forschungspartnern und Exportmärkten, sagte Kgosientso Ramakgopa, Leiter für Investitionen und Infrastruktur in der südafrikanischen Präsidentschaft.

Von Andreas Hoenig und Kristin Palitza, dpa