• Fr. Nov 22nd, 2024

Kein Schadenersatz für Erkrankte wegen Luftverschmutzung

Rauch steigt aus einer Fabrik im Südosten Frankreichs. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Philippe Desmazes/AFP/dpa)

Wer durch verschmutzte Luft krank geworden ist, kann keinen Schadenersatz vom Staat verlangen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die europäischen Richtlinien zur Luftqualität verleihen dem Einzelnen keine Rechte, die zu Schadenersatz führen könnten, wie die Richter mitteilten.

Die EU-Länder könnten aber unter Umständen nach nationalen Vorschriften haftbar sein. Das schloss der EuGH ausdrücklich nicht aus. Außerdem erinnerte der EuGH daran, dass Einzelpersonen das Recht haben müssen, von den Behörden Maßnahmen für bessere Luft zu erstreiten. Dazu zählen zum Beispiel Luftreinhaltungspläne oder Diesel-Fahrverbote.

Umwelthilfe fühlt sich bestätigt

Daher wertete die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die seit Jahren immer wieder für bessere Luft klagt, das Urteil trotzdem als gutes Zeichen: «Wir fühlen uns jetzt erstmal bestätigt, dass unsere bisherige Klage-Strategie zur Durchsetzung der sauberen Luft ausdrücklich bestätigt wurde, nämlich dass Bürger das Recht haben, „erforderliche Maßnahmen“ einzuklagen», sagte der DUH-Geschäftsführer, Jürgen Resch, der Deutschen Presse-Agentur. Der EuGH habe zwar in diesem Fall gegen Schadenersatz entschieden, schließe das aber in anderen Fällen nicht aus.

Hintergrund des Urteils ist die Klage eines Parisers. Er verlangt vom französischen Staat 21 Millionen Euro Schadenersatz, weil die zunehmende Luftverschmutzung im Pariser Ballungsraum seine Gesundheit geschädigt habe. Seiner Ansicht nach muss der Staat haften, weil er nicht dafür gesorgt habe, dass EU-weite Grenzwerte eingehalten werden. Die Generalanwältin am EuGH teilte in ihren Schlussanträgen vor einigen Monaten diese Meinung.

Oft folgen die Richter den Ansichten der Generalanwälte, diesmal jedoch nicht. Der EuGH verneinte einen Schadenersatzanspruch und argumentierte, dass die Luftqualitätsrichtlinien zwar die EU-Staaten verpflichteten, für saubere Luft zu sorgen. Diese Verpflichtungen dienten jedoch dem allgemeinen Ziel, die menschliche Gesundheit und die Umwelt insgesamt zu schützen. Einzelnen Bürgern würden dadurch keine Rechte zugewiesen. Daher müsse der Staat seine Bürger auch nicht entschädigen.

In Deutschland sieht das für Umweltfragen zuständige Bundesministerium in der EuGH-Entscheidung eine wichtige Klarstellung. Der Gerichtshof habe hier für «Klärung und Orientierung gesorgt», schrieb ein Sprecher am Donnerstag auf dpa-Anfrage. Gleichwohl müsse es Bürgerinnen und Bürgern möglich sein, nationale Behörden zu Maßnahmen für saubere Luft zu bewegen, hieß es weiter. Dies sei in Deutschland gewahrt: Wenn etwa kommunale Behörden keine ausreichenden Luftreinhaltepläne aufstellten, stehe Betroffenen der Rechtsweg offen.

Umweltministerium sieht Handlungsbedarf bei Feinstaubwerten

Unabhängig vom Schadenersatzanspruch für den Einzelnen bestehe für den Staat nach wie vor die Verpflichtung, die Luftqualitätsgrenzwerte der EU einzuhalten, betonte der Sprecher weiter. Die Bundesregierung unterstütze darüber hinaus die Annäherung an die strengeren Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Handlungsbedarf sieht das Haus von Steffi Lemke (Grüne) vor allem bei den Grenzwerten für Feinstaub. Hier seien die gesundheitlichen Auswirkungen am stärksten, hieß es. Derzeit bereitet das Umweltministerium nach eigenen Angaben ein neues Nationales Luftreinhalteprogramm vor, das voraussichtlich im ersten Halbjahr des kommenden Jahres vorgestellt werden soll.

Wissenschaftler warnen seit Jahren vor den gesundheitlichen Folgen schmutziger Luft. Wer etwa viel Feinstaub einatmet, hat ein erhöhtes Risiko für Herzprobleme, Schlaganfälle und Lungenerkrankungen. 2020 sind nach Angaben der EU-Umweltagentur EAA in der EU rund 240 000 Menschen durch Feinstaubbelastung der Luft in ihrer Umgebung vorzeitig gestorben. Nach dem Willen der EU-Kommission soll der Jahresgrenzwert für Feinstaub, der zu einem großen Teil im Autoverkehr und durch Heizungen entsteht, bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden.