Der erste große Strafprozess zur Aufarbeitung der VW-Dieselaffäre in Deutschland verzögert sich weiter. Das Landgericht Braunschweig kündigte an, die seit September 2021 laufende Hauptverhandlung um gut zwei Monate unterbrechen zu müssen. Wieder aufgenommen werden soll sie am 18. April. Grund sei, dass ein Mitglied des Richterkollegiums eine Elternzeit antrete.
Vor Gericht stehen vier frühere Führungskräfte des Wolfsburger Konzerns. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen im Zusammenhang mit den gefälschten Abgasdaten, die 2015 den Abgasskandal auffliegen ließen, unter anderem banden- und gewerbsmäßigen Betrug vor. Die Anklage richtet sich auch gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn – dieser konnte es bisher aber aufgrund ärztlicher Atteste vermeiden, persönlich erscheinen zu müssen. Sein Verfahren wurde von der Kammer abgetrennt.
Prozess von Anfang an schwierig
Der Prozess gestaltete sich von Beginn an schwierig. Das Gericht hatte anfangs Termine bis in den Sommer dieses Jahres angesetzt, inzwischen reichen sie bis 2024. Neben der Kritik sowohl aus der Verteidigung als auch von Anklägern, Winterkorn außen vor zu lassen, mussten etliche Sitzungen wegen Corona-Erkrankungen vertagt werden.
Inhaltlich ging es vor allem deshalb langsam voran, weil der Kammer nur spärliches Material aus der bisherigen Beweisaufnahme und den Zeugenvernehmungen vorliegt: Da sie in geplanten Folgeprozessen zu den Täuschungsprogrammen in Millionen Dieselautos selbst angeklagt sind, beriefen sich mehrere Geladene auf ihr Recht zur Verweigerung der Aussage. Das Gericht versuchte daraufhin, auch Mitglieder der Staatsanwaltschaft als «Zeugen» befragen zu lassen. Die vier Angeklagten wiesen eine Hauptverantwortung für die Dieselaffäre ab.
Nach Auskunft der Kammer ist eine Vertretung des Elternzeit nehmenden Kollegen nicht möglich. Denn die zu Beginn festgelegte Gruppe aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen müsse bis zum Verfahrensende Bestand haben, und ihre Anwesenheit sei bei jedem einzelnen Termin erforderlich. Formal, so hieß es, wäre es ansonsten nur denkbar gewesen, die komplette Hauptverhandlung von vorn starten zu lassen.
Schleppendes Verfahren ohne Durchbruch
Üblicherweise seien bei einem längeren Prozess im Sinne der Flexibilität auch größere Abstände zwischen den Sitzungen zulässig. Für den vorliegenden Fall gelte das aber nicht: «Die Frist ist gehemmt um den Zeitraum der Elternzeit.» Laut Strafprozessordnung darf eine Hauptverhandlung in der Regel höchstens drei Wochen unterbrochen werden, bei bereits zehn Tagen Dauer bis zu einem Monat.
Die Vertagung bis in die Mitte des Frühjahres dürfte die weitere Prozessplanung jetzt abermals verschieben. Ob und wann zudem mit Winterkorn verhandelt werden kann, ist nach wie vor offen. Aussagen gab es lange nur aus zweiter Hand, wenn einzelne Strafverfolger aus eigenen Zeugenvernehmungen berichteten – auch hier wurden allerdings schon Erinnerungslücken deutlich. Wechselseitige Anträge hatten zuletzt ebenfalls zu Unterbrechungen geführt. Das gesamte Verfahren zog sich bislang schleppend dahin, ein Durchbruch war nicht in Sicht.
Auch der milliardenschwere Musterprozess von Finanzinvestoren zur VW-Dieselaffäre bleibt eine zähe Angelegenheit. Zum Jahresbeginn waren Termine für Februar, März und April aufgehoben worden. Im Mai will das Oberlandesgericht Braunschweig die Verhandlung fortsetzen.