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Geduldsprobe um das 49-Euro-Ticket

Nov 29, 2022
Das 49-Euro-Ticket ist Thema bei der heutigen digitalen Verkehrsministerkonferenz. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Bernd Wüstneck/dpa)

Millionen Fahrgäste werden beim geplanten Deutschlandticket im Nah- und Regionalverkehr zunehmend auf eine Geduldsprobe gestellt. Wegen offener Finanzfragen könnte sich die Einführung der neuen Fahrkarte für 49 Euro im Monat bis zum Frühjahr verzögern. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hält nun eine Einführung des Tickets erst zum 1. Mai für realistisch. Zuvor hatte der Verband den 1. März als machbar bezeichnet. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte ursprünglich als Ziel für die Einführung Anfang 2023 genannt.

Am Dienstag wollten die Verkehrsminister von Ländern und Bund über offene Fragen beraten, dabei geht es vor allem um die Finanzierung. Wissing sagte der Funke-Mediengruppe: «Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz, der alle bindet. Wichtig ist, dass dieser jetzt zügig umgesetzt wird und nicht ständig neue Dinge diskutiert werden.» Ziel sei die schnellstmögliche Einführung des Tickets im kommenden Jahr.

Bund und Länder zahlen je zur Hälfte

Das digitale, bundesweit gültige Deutschlandticket ist für einen Einführungspreis von 49 Euro im Monat in einem monatlich kündbaren Abonnement vorgesehen – das ist grundsätzlich beschlossen. Es ist der Nachfolger des millionenfach verkauften 9-Euro-Tickets aus dem Sommer.

Bund und Länder haben vereinbart, das Angebot jeweils zur Hälfte zu finanzieren. Bei Einführung schon zu Jahresbeginn werden insgesamt drei Milliarden Euro pro Jahr angesetzt, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsanbietern auszugleichen. Sollte ein Start zum 1. Januar 2023 noch nicht klappen, würden die Finanzierungsbeiträge anteilig gekürzt. Auf Druck der Länder hatte der Bund außerdem dauerhaft Mittel für den Nahverkehr erhöht.

Allerdings kritisiert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Bund und Länder hätten bei der Finanzierung des Deutschlandtickets einen Deckel eingezogen. Es gebe keine sogenannte Nachschusspflicht, falls die Kosten steigen sollten – diese blieben in einer wegen hoher Energiekosten ohnehin angespannten Lage dann an den Unternehmen hängen.

Monatliche Kündbarkeit

Allein die monatliche Kündbarkeit des Deutschland-Tickets führe zu erheblichen zusätzlichen Einnahmenrisiken, erklärte Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff am Dienstag: «Die Bundesregierung kann dieses wirtschaftliche Risiko nicht komplett auf unsere Branche verlagern.» ÖPNV-Tarife müssten in Deutschland genehmigt werden. «Und keine zuständige Behörde wird einen Tarif genehmigen, dessen Gegenfinanzierung in Teilen unklar ist.»

Je länger Bund und Länder diese Finanzierungsfrage offen ließen, desto später könne das Ticket eingeführt werden. «Eine Einführung des Tickets zum 1. Mai erscheint uns nach aktueller Einschätzung der politischen Prozesse als realistisch», sagte Wolff. Er forderte eine eindeutige politische Entscheidung, dass der komplette Einnahmeverlust, der durch das Deutschland-Ticket entstehe, auch tatsächlich von Bund und Ländern ausgeglichen werde.

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer forderte, Bund und Länder müssten nicht nur eine Nachschusspflicht zeitnah rechtsverbindlich vereinbaren, sondern auch einen garantierten Verlustausgleich für die Verkehrsunternehmen.

Die rheinland-pfälzische Verkehrsministerin Katrin Eder (Grüne) sagte im Radioprogramm SWR Aktuell, es gebe Schätzungen, die davon ausgehen, dass das Ticket insgesamt 1,5 Milliarden Euro mehr kosten werde, als ursprünglich vom Bund veranschlagt. Sie wünscht sich eine Übernahme durch den Bund, da die Länder vor erheblichen Problemen stünden: «Die Energiekosten sind massiv durch die Decke gegangen, die Löhne für Busfahrerinnen und Lokführer auch. Die Kosten für den ÖPNV laufen einfach völlig aus dem Ruder.»

Der FDP-Verkehrspolitiker Bernd Reuther dagegen forderte Bewegung seitens der Länder. Der Bund stelle für das Ticket zusätzliches Geld zur Verfügung, sagte er. «Es ist jetzt an den Ländern, ihren Zusagen auch Taten folgen zu lassen und ihren Beitrag zum Erfolg dieses Projekts zu leisten.» In Zeiten von Haushaltsüberschüssen in verschiedenen Ländern sollten die Ressourcen dafür vorhanden sein.

Sorge vor Finanzierungslücken

SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagte, Bund, Länder, Kommunen und Nahverkehrsunternehmen müssen den Schulterschluss suchen und sich rasch einigen. Die von Bund und Ländern je zugesagten 1,5 Milliarden Euro sollten unabhängig vom konkreten Einführungsdatum im nächsten Jahr zur Verfügung stehen und nicht anteilig gekürzt werden. «Die Sorge vor Finanzierungslücken wäre den Nahverkehrsunternehmen und Kommunen damit genommen.»

Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte, es häuften sich Warnungen vor einer Abbestellung des ÖPNV-Angebots gerade im ländlichen Raum. «Das Wunschprojekt der Ampel-Regierung stimmt einfach nicht mit der Wirklichkeit der Verkehrsunternehmen und Kommunen überein.»

Die Verkehrsminister wollten außerdem über einen Antrag des Vorsitzlandes Bremen beraten, die Maskenpflicht im ÖPNV bundesweit zur Einführung des vorgesehenen 49-Euro-Tickets abzuschaffen – falls die Pandemielage dies zulässt. Der CDU-Verkehrspolitiker Thomas Bareiß sagte: «Während es in Flugzeugen, Kinos und öffentlichen Räumen keine Pflicht mehr gibt, müssen die Nutzer und die Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs sowie des Regional- und Fernreiseverkehrs immer noch Maske tragen.»

Von Andreas Hoenig, dpa