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Karlsruhe erlaubt Beteiligung an EU-Corona-Fonds

Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wehen die Europa- und die Deutschlandflagge. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Uli Deck/dpa)

Deutschland darf sich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am milliardenschweren Corona-Aufbaufonds der EU beteiligen. Der Zweite Senat des höchsten deutschen Gerichts wies am Dienstag in Karlsruhe zwei Verfassungsbeschwerden gegen jenes Gesetz zurück, mit dem der Bundestag vergangenes Jahr einer deutschen Beteiligung zustimmte.

Die Vorsitzende und Vizegerichtspräsidentin Doris König sagte, die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestags werde nicht beeinträchtigt. Allerdings ist die Entscheidung selbst unter den Richterinnen und Richtern umstritten: Sie erging mit sechs Stimmen zu einer.

Für die Mehrheit des Senats war entscheidend, dass die Mittel von vornherein strikt zweckgebunden seien. Zudem sei die Ermächtigung zur Kreditaufnahme in der Höhe begrenzt sowie zeitlich befristet.

«Next Generation EU»

Das Aufbauprogramm mit dem Namen «Next Generation EU» soll den EU-Staaten helfen, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür macht die EU-Kommission erstmals im großen Stil Schulden. Es geht um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018. Berücksichtigt man die Inflation, sind das inzwischen mehr als 800 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes bekommen die Länder als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, und den Rest als Darlehen. Spätestens Ende 2058 sollen die Schulden beglichen sein.

Die größten Summen gehen an besonders hart getroffene Länder wie Italien und Spanien. Erste Gelder aus dem Fonds sind schon ausgezahlt. Deutschland rechnete mit Zuschüssen von fast 26 Milliarden Euro netto. Das Geld soll etwa in Wasserstoff-Forschung, klimafreundliche Mobilität und ein digitaleres Bildungssystem fließen. Hier merkte das Verfassungsgericht kritisch an, dass der Zusammenhang zur Corona-Pandemie beim Punkt Digitalisierung noch nachvollziehbar sei – beim Klimaschutz liege das allerdings ferner.

Auf der anderen Seite ist Deutschland laut Bundesrechnungshof mit voraussichtlich rund 65 Milliarden Euro größter Nettozahler. Die Behörde hatte von einer «Zäsur für die europäische Finanzarchitektur» gesprochen und vor Risiken für den Bundeshaushalt gewarnt.

Die Kläger, darunter ein Bündnis um den ehemaligen AfD-Gründer Bernd Lucke, argumentierten ähnlich: Sie befürchten, dass am Ende womöglich Deutschland die Rechnung allein begleichen muss, sollten Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Es drohe über Jahrzehnte ein unkalkulierbarer Schuldensog. Außerdem habe das Programm keine Grundlage in den europäischen Verträgen.

Gewichtige Bedenken

Richterin König sprach zwar von gewichtigen Bedenken. In Summe geht die Mehrheit des Senats aber davon aus, dass die EU ihre Kompetenzen nicht überschreite und das Budgetrecht des Bundestags nicht substanziell eingeschränkt werde. Es gehe auch nicht um den Einstieg in eine Transferunion. Bundesregierung und Bundestag hätten in der mündlichen Verhandlung vor einigen Monaten in Karlsruhe betont, es handele sich um ein einmaliges Instrument zur Reaktion auf eine beispiellose Wirtschaftskrise, die die Pandemie ausgelöst habe.

Einzig Verfassungsrichter Peter Müller reichte genau diese Argumentation nicht. In einem sogenannten Sondervotum listete er aus seiner Sicht offene Fragen auf. Hierzu hätte seines Erachtens der Europäische Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet werden müssen.

Die Verfassungsrichterinnen und -richter hatten im April 2021 die deutsche Beteiligung im Eilverfahren ermöglicht. Denn ein Stopp hätte wirtschaftlich und politisch viel Schaden angerichtet. Allerdings räumten sie auch ein, dass die Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes durchaus im Raum steht. Das war nun im Hauptverfahren geprüft worden.