Führende Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognose für Deutschland deutlich gesenkt. Sie sprachen von Gegenwind für die Wirtschaft aus dem In- und Ausland.
«Die Wirtschaft in Deutschland ist angeschlagen», sagte Stefan Kooths vom Kieler IfW. Die Institute erwarten für dieses Jahr nur noch ein Wachstum von 0,1 Prozent. Im Herbst waren sie von einem Plus des Bruttoinlandsprodukts für 2024 von 1,3 Prozent ausgegangen. Für das kommende Jahr belassen die Institute die Prognose mit plus 1,4 Prozent nahezu unverändert.
Die deutsche Wirtschaft kränkele, heißt es in der Frühjahrsprognose. 2023 war die Wirtschaftsleistung in der größten Volkswirtschaft Europas um 0,3 Prozent zurückgegangen. Derzeit bewegt sie sich auf einem Niveau, das kaum über dem vor der Pandemie liegt. «Seitdem tritt die Produktivität auf der Stelle», stellten die Wissenschaftler fest.
Eine zähe konjunkturelle Schwächephase gehe mit schwindenden Wachstumskräften einher. Der private Konsum sei weniger dynamisch als erwartet. Die Ausfuhren seien trotz steigender weltwirtschaftlicher Aktivität zurückgegangen. Durch ein tiefes Tal gehe die Bauwirtschaft.
Nur langsame Erholung
Zwar dürfte ab dem Frühjahr eine Erholung der Konjunktur einsetzen, die Dynamik werde aber insgesamt nicht allzu groß ausfallen. In diesem Jahr avanciere der private Konsum zur wichtigsten Triebkraft, im kommenden Jahr dann vermehrt auch das Auslandsgeschäft.
Die Institute sehen außerdem eine «Politikunsicherheit», die weiter auf der Investitionstätigkeit der Unternehmen laste. Sollte rasch Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs herrschen, könnte sich die abwartende Haltung bei den Firmen abschwächen und die Investitionstätigkeit schneller Tritt fassen.
Die Bundesregierung ringt derzeit um ein Wachstumspaket. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) haben dazu allerdings unterschiedliche Vorstellungen.
Dobrindt fordert «harten Kurswechsel»
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer forderte ein Aufbruchssignal. Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben sagte, die Stimmung in der Wirtschaft sei weiter schlecht. «Und das hat Gründe: Die Energiekosten sind noch immer deutlich höher als in anderen Industrieländern. Hinzu kommen hohe Bürokratiebelastungen, ein sich verschärfender Fachkräftemangel und geopolitische Unsicherheiten, die das Exportgeschäft belasten.» Die Rahmenbedingungen müssten dringend verbessert werden. Nur so könnten die privaten Investitionen angestoßen werden.
Als Reaktion auf die jüngste Konjunkturprognose fordert die CSU im Bundestag einen «harten Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik». Andernfalls drohten dauerhafte Wohlstandsverluste, warnte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekräftigte die Forderung nach einer Wirtschaftswende. «Damit unser Land fit für die Zukunft wird, müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit stärken und private Investitionen attraktiver machen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai kritisierte auch den Koalitionspartner SPD wegen seiner Überlegungen für eine Reform der Schuldenbremse. «Anstatt sich Gedanken zu machen, wie die Politik Bürger und Betriebe entlasten und den Wohlstand im Land mehren kann, beschäftigt sich die SPD lieber mit Rufen nach einer sinnlosen Schuldenpolitik.» Nicht seriöse Finanzpolitik, sondern die erdrückende Abgabenlast, überbordende Bürokratie und mangelnde Priorisierung der Ausgaben verhinderten den wirtschaftlichen Aufschwung.
Inflation geringer
Für Verbraucher gute Nachrichten gibt es zur Inflation. Die Institute sehen die Phase sehr hoher Teuerungsraten seit Mitte des vergangenen Jahres ausgestanden. Für dieses Jahr erwarten sie einen Anstieg der Verbraucherpreise um 2,3 Prozent und um 1,8 Prozent im kommenden Jahr.