«Am Ende interessiert die Kunden: Cent pro Kilometer», sagt der Logistiker Rainer Schmitt. Elektrische Lkw seien heute noch sehr viel teurer als die Verbrenner. «Das ist die bittere Wahrheit. Da braucht es schon auf beiden Seiten willige Unternehmer, die auch über den Tellerrand hinausschauen», sagt der Chef eines Familienunternehmens mit rund 100 Lkw. Einer davon ist elektrisch.
Elektrische Brummis auf deutschen Autobahnen sind eine absolute Seltenheit. Die Technik schreitet voran, doch die Absatzzahlen liegen im marginalen Bereich: Beim Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck etwa waren 2022 nur 914 der insgesamt rund 520.000 verkauften Lkw und Busse emissionsfrei.
Doch der Hochlauf ist absehbar: Bis 2030 könnten 75 Prozent der abgesetzten schweren Nutzfahrzeuge keine Verbrenner mehr sein – rund 58 Prozent seien mit Batterie und 17 Prozent mit Wasserstoff betrieben. Das ergab eine Analyse im Auftrag des Verkehrsministeriums, die sich auf Umfragen bei Herstellern stützt.
«Es muss ein Umdenken im Kopf stattfinden»
Schmitt, dessen Unternehmen etwas südlich von Karlsruhe sitzt, ist vor allem in Baden-Württemberg tätig. «Die Touren in der Region können wir mit dem E-Lkw gut abdecken», sagt er. Dass er bislang erst einen E-Lkw fährt, hänge vor allem damit zusammen, dass die E-Lkw sehr viel teurer als die Verbrenner seien. «Es muss ein Umdenken im Kopf stattfinden», sagt Schmitt. Man tauche in eine Technologie ein, die zunächst viele Nachteile habe. Die Reichweite, die Infrastruktur beim Laden, der Preis.
«Wir befinden uns heute nach wie vor in einem Stand der Pilotphase», sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik. Die Unternehmen testeten viele Angebote. Betriebliche Abläufe müssten angepasst, Prozesse optimiert und mit den logistischen Ansprüchen der Kunden synchronisiert werden.
Laut Huster sei es zunächst sinnvoll, mit Flotten zu beginnen, die einen kleineren Radius haben. Im Schwerlastverkehr sei die E-Mobilität heute noch nicht einsetzbar. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit der Umstieg gelingt. Sie müsse die Energiewende mit Nachdruck vorantreiben und Anreize für eine Ladeinfrastruktur schaffen – nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Sektor. «Das ist eine ganz wesentliche Achillesferse.»
Defizite in der Ladeinfrastruktur
Schon im Pkw-Bereich hinkt der Ausbau der öffentlichen Ladepunkte dem Hochlauf der E-Autos hinterher. Für E-Lkw gebe es noch kaum extra ausgewiesene öffentliche Ladeinfrastruktur, sagt der Planungschef der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, Felix Steck. Ziel sei, in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit der Ausschreibung für ein Grundnetz an E-Lkw-Ladesäulen zu starten. Noch stehe nicht endgültig fest, wie viele Ladepunkte es umfassen und wann es fertig errichtet sein wird. «Die Anforderungen ergeben sich aus dem Fahrzeughochlauf der Hersteller. Hierzu sind wir im regelmäßigen Austausch.»
Grundsätzlich seien zweierlei Ladearten für batterieelektrische Lkw möglich, erklärt Steck: Entweder das Laden über Nacht oder bei längeren Standzeiten – hier seien die Hochleistungsladestationen, die Leistungen bis zu 350 Kilowatt abdecken und die man aus dem Pkw-Bereich kennt, ausreichend. «Aber beim Zwischenladen während der Lenkpausen sind kürzere Ladezeiten vonnöten. Da sprechen wir dann über Leistungen von 700 bis 800 Kilowatt in der näheren Zukunft.» Hierfür werden aktuell neue Ladestationen inklusive eines neuen Steckertyps entwickelt, die sich auch für das Laden im Megawatt-Bereich während der 45-minütigen Lenkpausen eignen. «Bis 2025 kann man damit rechnen, dass diese an den Straßen stehen.»
Aber: Mit den höheren Ladeleistungen brauche es an etlichen Autobahn-Rastplätzen Hochspannungsanschlüsse, erklärt der Technikchef des Netzbetreibers NetzeBW, Martin Konermann. «Wenn es gut läuft, brauche ich sieben Jahre, um so etwas zu realisieren. Fünf Jahre Planung und Genehmigung, zwei Jahre Bauzeit. In Einzelfällen dauert so ein Rastplatzausbau in Summe dann sicherlich bis zu zehn Jahre.» Es sei also wichtig, frühzeitig in die Planungen einbezogen zu werden.
Sein Appell: «Lasst es uns doch gleich richtig machen.» Mit grob geschätzt acht Milliarden Euro könnte jeder Autobahn-Rastplatz in Deutschland mit Hochspannung versorgt werden. Dann könne man sowohl für Lkw als auch für Pkw jede Ladeleistung zur Verfügung stellen. Dann werde die Batterie die Ladeleistung begrenzen – nicht die Ladesäule.
Fehlende Plätze für Lkw
Ein weiteres Problem wirft Michael Bucher auf, Manager für Ladeinfrastruktur beim Stromkonzern und einem der größten deutschen Ladesäulenbetreiber EnBW. «Schon heute fehlen an Autobahnen Zehntausende Stellplätze für Lkw. Und jetzt kommen wir und sagen: Wir brauchen aber noch Platz für Ladesäulen. Das ist die größte Herausforderung und kann nur mit politischer Unterstützung gelöst werden.» Es sei heute aber noch völlig unklar, wer sich um den zusätzlichen Platz kümmere. Wichtig seien daher auch Angebote etwa in Autobahnnähe.
Logistiker Schmitt werde in einem nächsten Schritt den Langstrecken-E-Lkw von Daimler Truck zum Testen erhalten, erzählt er. Der «eActros LongHaul» soll 2024 serienreif sein und über eine Reichweite von rund 500 Kilometern verfügen. Damit wolle er wahrscheinlich die Strecke zwischen Gaggenau (Landkreis Rastatt) und Kassel fahren. Die Strecke sollte mit einer Batteriefüllung zu schaffen sein. «Wenn der Kunde am Entladeort dann über die entsprechende Ladeinfrastruktur verfügt oder es in der Nähe genügend Ladepunkte gibt, kann das funktionieren.» Wenn die Strecke aber länger sei und irgendwo auf dem Weg ein Halt zum Laden eingeplant werden müsse, dann werde es schwierig. Es ist halt noch ein weiter Weg.