Die Deutsche Bahn hat die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG nach dem Großstreik im Verkehr dazu aufgerufen, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren. «Wir müssen jetzt verhandeln und keine Osterpause machen», sagte ein Bahnsprecher am Dienstag in Berlin. «Wir müssen zügig am Verhandlungstisch zu einer Lösung kommen.» Der am Montag bestreikte Verkehr lief derweil wieder an, Beeinträchtigungen gab es am Dienstagmorgen kaum noch. Wirtschaftsexperten gehen davon, dass der Großstreik überschaubare gesamtwirtschaftliche Folgen hatte.
Nach dem Großstreik lief der Zugverkehr bei der Deutschen Bahn am Dienstagmorgen nach Konzernangaben wieder planmäßig an. «Im Fernverkehr fallen in den Morgenstunden lediglich noch einzelne, wenige Fahrten aus», teilte ein Sprecher mit. Der Regional- und S-Bahn-Verkehr laufe ohne streikbedingte Ausfälle.
Auch die Flughäfen, darunter Deutschlands größter Airport in Frankfurt, nahmen den Betrieb wieder auf. Insgesamt waren am Dienstag in Frankfurt 1118 Flugbewegungen mit rund 157 000 Passagieren geplant, darunter knapp 3800 Passagiere, die streikbedingt zuvor nicht hätten fliegen können, sagte eine Sprecherin des Betreibers Fraport. Am Morgen waren für Dienstag rund 40 Flugannullierungen bekannt, teils sei diese auf Streikfolgen zurückzuführen.
Am Flughafen Köln/Bonn gab es ebenfalls noch Streikauswirkungen. Frühe Flüge wurden laut Abflugplan auf den späteren Vormittag verlegt und vereinzelt auch annulliert. Der Streik am Flughafen dauerte bis 7 Uhr, sagte eine Sprecherin. Am Airport Düsseldorf lief der Flugverkehr dagegen nach Angaben eines Sprechers «normal an».
Chaos auf den Straßen blieb aus
Die EVG und die Gewerkschaft Verdi hatten am Montag gemeinsam den Bahn-, Flug- und Schiffsverkehr in Deutschland bestreikt. Die Arbeitsniederlegung sorgte für zahlreiche Flugausfälle, die Bahn stoppte den Fernverkehr komplett, auch der Regionalverkehr wurde vor allem am Montagvormittag massiv beeinträchtigt. Für Chaos auf den Straßen sorgte der Warnstreik nicht. Mobilitätsforscher Andreas Knie sagte dem Radiosender WDR 5, dass die Strategie der Gewerkschaften seiner Ansicht nach nicht ganz aufgegangen ist.
Große Streiks im öffentlichen Verkehr wie am Montag hätten wegen der größeren Flexibilität der Beschäftigten im Berufsleben seit Corona «nicht mehr die Wirkung wie noch in den 70er, 80er und 90er Jahren». «Das, was wir früher hatten, wo wirklich die Republik stillsteht, das wird es so nicht mehr geben.»
Dass das befürchtete Verkehrschaos auf den Straßen am Montag ausblieb, habe Wissenschaftler nicht überrascht, sagte Knie. Etwa 40 Prozent der Beschäftigten quer durch alle Branchen führen an etwa 2,5 Tagen nicht mehr ins Büro. Die Menschen seien schon vor dem Streik flexibel gewesen. Auch die Arbeitgeber hätten gelernt, dass sie keine Verluste hätten, wenn die Menschen teils im Homeoffice arbeiteten.
Mehr Macht durch Fachkräftemangel?
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, geht davon aus, dass der Streiktag gesamtwirtschaftlich nur geringe Kosten verursacht hat, «da sich viele drauf einstellen und mobil arbeiten konnten», wie er der «Rheinischen Post» sagte. Gleichzeitig betonte er, dass aus seiner Sicht die Beschäftigten inzwischen mehr Einfluss hätten: «Durch den großen Fachkräftemangel gewinnen Beschäftigte an Macht und damit die Möglichkeit, höhere Lohnabschlüsse durchzusetzen.»
Die EVG fordert bei ihren Verhandlungen mit 50 Bahn-Unternehmen mindestens 650 Euro mehr pro Monat für alle Beschäftigten oder zwölf Prozent mehr Geld für die oberen Lohngruppen. Die Deutsche Bahn hatte im laufenden Tarifkonflikt unter anderem angeboten, die Löhne der betroffenen Beschäftigten in zwei Schritten um insgesamt fünf Prozent anzuheben. Zudem wurden Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro in Aussicht gestellt. Die EVG lehnte dies ab.
Bei der DB betreffen die Verhandlungen rund 180.000 Beschäftigte. Die nächsten Gespräche stehen Ende April an. Zuvor trifft sich die EVG mit einigen kleineren Unternehmen zu Tarifgesprächen.
Verdi und der Beamtenbund dbb verhandeln für rund 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen. Seit Montag läuft in Potsdam die dritte Runde. Die Gewerkschaften fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber bieten 5 Prozent mehr in zwei Schritten bei einer Laufzeit von 27 Monaten. Einen Mindestbetrag lehnen Kommunen und Bund ab, bieten aber Einmalzahlungen von zunächst 1500 und später noch einmal 1000 Euro.