Schnell und entschlossen haben Aufseher und Politik auf die jüngsten Probleme im Bankensektor reagiert. Waren die Risiken der rasanten Zinswende in den USA und im Euroraum unterschätzt worden? In den USA werden die Turbulenzen nun politisch aufgearbeitet: Nach einer Anhörung im Bankenausschuss des Senats am Dienstag müssen sich am Mittwoch im US-Repräsentantenhaus unter anderen Vertreter der US-Notenbank Fed und der US-Einlagensicherung FDIC den Fragen der Abgeordneten stellen.
Was ist bisher geschehen?
Das Beben begann Anfang März mit US-Banken, die bis dato in der breiteren Öffentlichkeit eher unbekannt waren: Binnen weniger Tage verlor die kalifornische Silicon Valley Bank (SVB) das Vertrauen von Anlegern und Kunden, am 10. März übernahm die US-Einlagensicherung FDIC die Kontrolle und schloss das auf Start-up-Finanzierung spezialisierte Institut. Inzwischen hat die amerikanische First Citizens Bank Vermögenswerte des kollabierten Instituts in Form von Einlagen und Krediten übernommen.
Weitere kleine Geldhäuser in den USA gerieten ins Straucheln, die Signature Bank brach komplett zusammen. Aktienkurse von Bankhäusern weltweit gerieten unter Druck, die bereits zuvor kriselnde Schweizer Großbank Credit Suisse wurde Mitte März per Notverkauf an die UBS aufgefangen. Umsetzen soll die Integration der Rivalin der langjährige UBS-Chef Sergio Ermotti: Ermotti wird nach der Aktionärsversammlung am 5. April Ralph Hamers als Konzernchef ablösen, wie die UBS am Mittwoch mitteilte.
Ist eine globale Bankenkrise abgewendet?
«Die Risiken im Finanzsystem sind nach wie vor sehr groß», sagte der Chef der EU-Bankenaufsicht (EBA), José Manuel Campa, Anfang dieser Woche im «Handelsblatt»-Interview. «Zudem belasten die steigenden Zinsen die Finanzmärkte. Eine so drastische Zinswende erhöht nicht nur die Ertragschancen für Banken, sondern auch die Risiken.» Er sei aber «relativ zufrieden mit dem Zustand, in dem sich die Banken in der EU im Durchschnitt befinden», sagte Campa: «Die durchschnittlichen Eigenkapital- und Liquiditätsquoten sind hoch.»
Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hält eine große Bankenkrise infolge der Turbulenzen in den USA und in der Schweiz derzeit für unwahrscheinlich. «Wir möchten festhalten, dass wir im Augenblick keine Gefährdung der Finanzmarktstabilität sehen», betonte die «Wirtschaftsweise» Ulrike Malmendier bei der Vorlage der jüngsten Konjunkturprognose des Beratungsgremiums der Bundesregierung am 22. März. Die Lage stelle sich anders dar als in der Finanzkrise 2008. Der Markt zwischen Banken funktioniere gut, die Kreditversorgung von Unternehmen und Verbrauchern sei gesichert.
Der oberste Bankenaufseher der Finanzaufsicht Bafin, Raimund Röseler, äußerte sich mit Blick auf den deutschen Bankenmarkt betont entspannt: «Natürlich haben wir Probleme bei manchen deutschen Banken, aber wir haben kein Problem des Bankensektors», sagte Röseler. Er sehe «ganz ehrlich nicht die Gefahr einer Systemkrise oder dass das, was da jetzt passiert ist, sich zur Systemkrise hier auswachsen würde».
Wie sicher sind die Einlagen der Sparerinnen und Sparer?
Bundeskanzler Olaf Scholz brachte es Mitte März auf einen einfachen Nenner: «Die Einlagen der deutschen Sparerinnen und Sparer sind sicher.» Doch einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag des «Stern» zufolge trauen nur 50 Prozent dieser Zusicherung. Mit 46 Prozent haben demnach fast ebenso viele Bundesbürger Zweifel daran. Fakt ist: In jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) wird durch nationale Einlagensicherungssysteme garantiert, dass je Bank bis zu 100 000 Euro pro Kundin und Kunde gesichert sind. Über diesen gesetzlichen Schutz hinaus sichern hierzulande fast alle Geldhäuser Kreditinstitute Spargelder zusätzlich ab. Für private Banken greift der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB). Nach Angaben des Verbandes sind somit derzeit in der Regel je Kunde mindestens 750 000 Euro Einlage pro Bank geschützt. Bei vielen Instituten liegen die Sicherungsgrenzen deutlich höher. Vergleichbare Regelungen gibt es bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Wie reagieren die Notenbanken?
Für die Zentralbanken kommen die Probleme im Finanzsektor zur Unzeit, da sie ihrem Kampf gegen die hohe Inflation im Weg stehen. Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) verweisen aber darauf, dass sie Inflation und Bankenprobleme getrennt voneinander angehen können. Konkret: Gegen die hohe Teuerung sollen Zinsanhebungen helfen, während die Banken ausreichende Finanzmittel erhalten.
«Wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass ein größeres Problem entsteht», sagte EZB-Chefvolkswirt Philip R. Lane, der Wochenzeitung «Die Zeit» (Donnerstag) in einem am Mittwoch vorab veröffentlichten Interview. «Sollte es jedoch dazu kommen, ist die Europäische Zentralbank in der Lage, zu reagieren. Wir haben viele Instrumente, wir können Liquidität zur Verfügung stellen, und wir können dafür sorgen, dass es nicht zu der Art von Sturm auf die Banken kommt, wie es in diesen Beispielen zu beobachten war», sagte Lane mit Bezug auf die Ereignisse in den USA und in der Schweiz. «Das europäische Bankensystem ist gut kapitalisiert und profitabel», bekräftigte Lane.
Dagegen meint Erik Nielsen, Chefberater der Großbank Unicredit und einst deren Chefökonom, die Zentralbanken müssten einsehen, dass man Geldpolitik und Finanzstabilität nicht gänzlich trennen könne. Nicht umsonst gelten die rasch und stark gestiegenen Leitzinsen als eine wichtige Ursache für die Finanzprobleme vieler US-Banken. Nielsen geht sogar so weit, eine gemeinsame Erklärung großer Notenbanken zu fordern, dass auf Zinsanhebungen vorerst verzichtet werde.
Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Krise?
Die konkreten Folgen sind noch nicht ganz absehbar. Allerdings warnen viele Experten vor negativen Auswirkungen: «Während sich die unmittelbare Krise im Bankensektor zu entspannen scheint, bleibt abzuwarten, wie stark die Turbulenzen dem Wirtschaftsvertrauen schaden», erklärt das britische Analysehaus Capital Economics. Das größte Risiko sei, dass die Banken ihre Kreditvergabe zurückfahren. Dies würde Investitionen und Konsum dämpfen und letztlich der Wirtschaft schaden.