Trotz aller Schwierigkeiten und Proteste sieht Wirtschaftsminister Robert Habeck den Ausbau von Ökostrom aus Wind und Sonne im Plan. «Wenn wir in dem Tempo weitermachen, dann haben wir es geschafft», sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Cottbus. «Wir biegen jetzt ein auf die Zielerreichungspfade.» Dem widersprachen die ostdeutschen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Reiner Haseloff (beide CDU).
«Ich bin eher in Sorge, was die Energiewende angeht», sagte Sachsens Regierungschef Kretschmer bei einer Konferenz des Energieverbands BDEW. «Ich habe ja an dieser Stelle schon mehrfach gesagt, dass man sie neu aufsetzen muss und nochmal neu rechnen muss.» Energie sei in Deutschland unglaublich teuer, es gebe Abwanderung von Unternehmen. «Unsere Konkurrenz ist viel günstiger, das muss uns beschweren.»
Sein Parteikollege Haseloff, Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt, betonte, die Ziele dürften nicht unrealistisch hoch sein. Gefragt sei Pragmatismus. Der Kohleausstieg dürfe erst 2038 kommen. «Das ganze System Deutschland umzustellen, wird viele Jahrzehnte dauern», sagte Haseloff. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) forderte, dass die Kosten der Energiewende nicht bei den Bürgern hängen bleiben dürften.
Nach Plänen der Bundesregierung sollen 2030 bereits 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Derzeit ist es gut die Hälfte. Dafür müssen nicht nur Solar- und Windparks ausgebaut werden, sondern auch Stromnetze. Zugleich braucht es neue Kraftwerke für den Fall, dass der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint. Sie sollen erst mit Erdgas betrieben werden, später mit Wasserstoff. Ziel ist, dass Deutschland ab 2045 keine zusätzlichen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre bläst.
«Es ist lösbar»
Habeck betonte: «Es ist lösbar, es ist überschaubar.» Windräder seien heute um den Faktor sechs bis sieben leistungsstärker als alte. Deshalb gelte: 10.000 Windräder müssten raus und 10.000 neue Anlagen rein. «Machbar ist das natürlich.»
Habeck zeigte sich offen, große Überlandleitungen für Strom doch überirdisch zu bauen, statt sie wie geplant in der Erde zu verlegen. Das würde aus Sicht der Netzbetreiber zweistellige Milliardenbeträge sparen. «Es darf aber nicht zu Verzögerungen führen», forderte der Minister. «Das muss ratzfatz gehen.» Werde dazu nicht binnen weniger Wochen ein Konsens der Ministerpräsidenten und der Bundesregierung erreicht, sollte man nicht umplanen.
«Zerrieben zwischen AfD und Apokalypse»
Stefan Kapferer, Chef des Netzbetreibers 50Hertz, sagte, bei der Beschleunigung des Ausbaus sei extrem viel passiert. Grundsätzlich gelte: «Wir sind ja auch bei der Energiewende viel weiter, als das in der öffentlichen Wahrnehmung der Fall ist. Wir werden irgendwo zerrieben zwischen AfD und Apokalypse. Und das ist schlecht. Wir müssen, glaube ich, die positiven Dinge in den Vordergrund stellen.»
Für die Umstellung auf Wärmeversorgung ohne Klimagase forderten die kommunalen Versorger sowie der Städte- und Gemeindebund auf der Konferenz finanzielle Unterstützung des Bundes. Sie warnten Bauministerin Klara Geywitz (SPD) davor, die Kommunen bei der Wärmeplanung zu überfordern.
Nach dem neuen Wärmeplanungsgesetz sollen Großstädte bis Ende Juni 2026, kleinere Städte und Gemeinden mit weniger als 100.000 Einwohnern bis Ende Juni 2028 Wärmepläne erstellen. Der Bund unterstützt die Kommunen dabei mit 500 Millionen Euro.
Habeck trifft Bauernpräsident
Habeck war morgens von einigen wütenden Demonstranten mit einem Pfeif- und Hupkonzert und Rücktrittsforderungen empfangen worden. Bei seiner Abfahrt flog ein Ei in Richtung seiner Kolonne, wie die Polizei bestätigte. Getroffen wurde er nicht.
Während der Konferenz äußerte der Grünen-Politiker große Bedenken wegen der Debattenkultur. Statt einander wegzubrüllen, müsse man miteinander reden und auch zuhören. Wenn keine Kompromisse mehr möglich seien, zerstöre das die Demokratie, sagte Habeck. «Vor den ganzen Energiefragen steht die gesellschaftliche Energie, und die muss sich auch erneuern.»
Die Konferenz fand in der Lausitz statt, die wegen des Abschieds von der Braunkohle von der Energiewende besonders betroffen ist. Der Kohleausstieg ist für 2038 vereinbart, die Bundesregierung möchte ihn aber möglichst schon auf 2030 vorziehen. Ministerpräsident Woidke forderte, dieses Datum vom Tisch zu nehmen, weil es nur Unsicherheit schaffe.