Der Güterverkehr in Deutschland steigt laut einer neuen Prognose des Verkehrsministeriums bis Mitte des Jahrhunderts deutlich an – vor allem auf der Straße. Der Lkw bleibe das dominierende Verkehrsmittel im Güterbereich, sagte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Freitag in Berlin. Er bekräftigte vor diesem Hintergrund seine Forderung nach einem schnelleren Bau auch von Autobahnen.
Nach der Prognose im Auftrag des Ministeriums nimmt bis 2051 der Güterverkehr im Vergleich zu 2019 um fast die Hälfte zu. Bei der Straße wird mit einem Zuwachs um 54 Prozent gerechnet, der Güterverkehr auf der Schiene nehme um ein Drittel zu. Der Personenverkehr steigt laut Prognose um 13 Prozent. Starke Zuwächse werden beim Bahn- und Luftverkehr sowie beim Radverkehr erwartet. Der Straßenverkehr wachse nur geringfügig. Dennoch bleibe das Auto das mit Abstand wichtigste Fortbewegungsmittel.
«Dringend Planungsbeschleunigung auch für die Straße notwendig»
«Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass wir unsere Ziele eines nachfragegerechten Verkehrs nicht alleine durch den Ausbau von Schiene und Wasserstraße erreichen können», sagte Wissing. «Wir benötigen einen leistungsfähigen und klimaneutralen Verkehrsträger Straße.» Es sei dringend Planungsbeschleunigung auch für die Straße notwendig. So müssten Nadelöhre beseitigt werden, die für Staus sorgten. Diese verursachten einen erheblichen wirtschaftliche Schaden. Wissing sprach sich für eine vorausschauende Verkehrsplanung aus.
Über die Priorität bei einer Beschleunigung von Planungsverfahren schwelt in der Ampel-Koalition seit Wochen ein heftiger Streit. Wissing will nicht nur Brücken, sondern auch Autobahnen schneller bauen lassen – das lehnen aber die Grünen ab. Sie pochen angesichts der vorgesehenen Klimaschutzziele auf Vorrang für die Schiene.
Strukturwandel im Güterverkehr
Wissing machte deutlich, der Ausbau der Schiene habe für ihn oberste Priorität. Bei der Bahn sei aber in der Vergangenheit viel versäumt worden, das Netz sei überlastet. Das solle nun behoben werden, brauche aber Zeit. Die Alternative zu einem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur auch bei der Straße sei es, Mobilität einzuschränken. Das aber würde weniger Wachstum und weniger Steuereinnahmen bedeuten.
Als Hauptgrund für die starke Zunahme des Verkehrs auf der Straße nennt das Ministerium einen Strukturwandel im Güterverkehr. Durch die Energiewende gebe es einen starken Rückgang bei Massen- und Energiegütern wie Kohle, Koks, Mineralölprodukten und Erzen, die bisher vor allem auf Schiene und Wasserstraße transportiert wurden. Großes Wachstum dagegen gebe es bei Gütern, die überwiegend auf der Straße befördert werden, wie etwa Postsendungen oder Nahrungsmitteln.
Skepsis bei den Grünen
Bei den Grünen stieß die neue Verkehrsprognose auf große Skepsis. «Diese Prognose kann und wird für keine Infrastrukturplanungen die Grundlage sein», sagte der Grünen-Bahnexperte Matthias Gastel. «Es wurden weitgehend Entwicklungen aus der Vergangenheit in die Zukunft übertragen, statt Entwicklungen nach einem Konzept zu steuern.» Wissing wolle mit immer mehr Straßen einem Zuwachs an Lastwagen den «roten Teppich» ausrollen. «Seine Aufgabe wäre jedoch, für ein leistungsfähigeres Schienennetz zu sorgen und die Wettbewerbsfähigkeit der Güterbahn zu stärken.»
Kritik kam auch von Umweltverbänden. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, kommentierte, die FDP habe kein Interesse an moderner und zukunftsfähiger Verkehrspolitik und auch nicht an der Einhaltung rechtsverbindlicher Klimaziele. Die Klimaschutzbewegung Fridays for Future, die am Freitag für mehr Klimaschutz demonstrierte, forderte unter anderem einen Ausbaustopp für Autobahnen.
Für das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen, einem Zusammenschluss von Wettbewerbern der bundeseigenen Deutschen Bahn, kritisierte Geschäftsführer Peter Westenberger, die Studie des Ministeriums sei unbrauchbar. Es sei bedauerlich, dass die Gutachter «unhaltbare grobe Einschätzungen» zur Zukunft des Schienengüterverkehrs verbreiteten und im Ergebnis einen rückläufigen Marktanteil von 17,3 Prozent in 30 Jahren prognostizierten.