Ein Urteil gegen «Mister Cum-Ex» rückt näher: Im Steuerhinterziehungs-Verfahren gegen den Anwalt Hanno Berger hat die Staatsanwaltschaft am Dienstag vor dem Bonner Landgericht eine Freiheitsstrafe von neun Jahren gefordert. Bergers Anwalt Richard Beyer räumte Fehlverhalten seines Mandanten ein, nach seiner Darstellung fiel dieses aber deutlich geringer aus als von der Anklage beschrieben. Mit Blick auf die Dauer einer Freiheitsstrafe sagte er: «Ich habe ein tiefes Vertrauen in die Güte des Gerichts.»
Der Angeklagte Berger war früher selbst für die Steuerverwaltung tätig, später wechselte er als Steueranwalt gewissermaßen die Seiten und beriet Banken und Investoren. Er gilt als Architekt der Cum-Ex-Deals, bei denen Aktien mit («cum») und ohne («ex») Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag hin und her geschoben wurden. Das Ergebnis des Verwirrspiels war, dass Steuern erstattet wurden, die gar nicht gezahlt worden waren. Dadurch wurden der Fiskus und somit die Allgemeinheit über Jahre um einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag geprellt.
Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung
Berger ist der bekannteste Protagonist des Geschäftsmodells, das der Bundesgerichtshof im vergangenen Jahr als Straftat gewertet hat. Dem 72-Jährigen wirft die Anklage drei Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung im Zeitraum 2006 bis 2011 vor. Er beriet Banken wie die Privatbank M.M. Warburg, vermittelte Investoren und kassierte dafür Provisionen.
«Er wusste um die Struktur der Geschäfte», sagte Staatsanwalt Jan Schletz in seinem Plädoyer. Der Warburg-Bank zum Beispiel habe Berger Cum-Ex «beigebracht». Dem Angeklagten sei klar gewesen, dass es um Erstattungen von gar nicht gezahlten Steuern gehe. Er habe vorsätzlich und «mit hoher krimineller Energie» gehandelt. Von der Allgemeinheit habe er genommen und «sich selbst und den Reichen gegeben».
Den Steuerschaden der in dem Bonner Verfahren verhandelten Geschäfte, an denen Berger mitwirkte, bezifferte Staatsanwalt Schletz auf 276 Millionen Euro. Der Ankläger forderte 27,3 Millionen Euro von Berger und einem Ex-Kollegen, der bei der Aufklärung von Cum-Ex Kronzeuge ist und in dem Verfahren ausgesagt hatte. Dieser Ex-Kollege, der schon vor längerer Zeit mit Berger gebrochen hat, hat die Zahlung der Hälfte der Forderung bereits angewiesen, wie der Vorsitzende Richter Roland Zickler sagte – und der sich dabei auf Dokumente bezog, die bei Gericht eingereicht worden waren.
Bergers Verteidiger Beyer machte deutlich, dass er eine wesentlich kürzere Freiheitsstrafe als neun Jahre für angemessen hielte. Nach seiner Darstellung ist der Zeitraum der vorsätzlichen Steuerhinterziehung viel kürzer, und zwar nur von Mai 2009 bis 2010. «Bis zum Jahr 2009 handelt Herr Berger subjektiv ohne Vorsatz, ab dem Jahr 2009 handelt er mit Vorsatz, und im Jahr 2011 hat er nicht mehr mitgewirkt.»
Urteil am Dienstag
Im Mai 2009 hatte das Bundesfinanzministerium ein Schreiben an andere Behörden verschickt, in dem es auf die Cum-Ex-Problematik hinwies und diese Praktik unterbinden wollte. Dass Berger danach trotz dieses Schreibens weitermachte, war auch aus Sicht des Verteidigers ein Fehler. Der Angeklagte habe dann versucht, über verschiedene Verbände Einfluss zu nehmen und das Schreiben des Ministeriums zu entschärfen, damit es mit Cum-Ex doch weitergehen konnte. «Da ging Herr Berger in der Tat an seinem Talent zugrunde.»
Beyer relativierte diese Verfehlung allerdings. Denn das damalige Schreiben des Bundesfinanzministeriums sei nicht so eindeutig zu verstehen gewesen wie man es heute im Rückblick denke. Man hätte damals durchaus das Verständnis entwickeln können, dem Gesetzgeber gehe es nicht darum, «hier insgesamt dicht zu machen und die [Gesetzes-]Lücke zu schließen», sondern dass der Gesetzgeber nur eine Verringerung der Steuerausfälle durch Cum-Ex angepeilt habe.
Das Bonner Landgericht will sein Urteil am nächsten Dienstag fällen. Danach muss sich Berger in einem separaten Verfahren vor dem Wiesbadener Landgericht wegen anderer Cum-Ex-Geschäfte weiter verantworten. In diesem Verfahren sind noch bis Ende Januar Verhandlungstermine angesetzt.